Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
fröhlich-ausgelassen, teils begräbnismäßig, – wie ja wirklich das Myrtenlaub, mit dem alle Festteilnehmer, gleich den Festräumen, geschmückt waren (sie trugen zum Teil ganze Bündel davon in Händen), den Liebesgöttern und den Toten zugleich gehört. In dem großen Umzuge gab es ebensoviele, die unter Schallbecken- und Cymbelklang jauchzende Freude an den Tag legten, wie solche, die sich nach allen Regeln des Ausdrucks klageund jammervoll gebärdeten, genau als schritten sie in einem Leichenzug. Man muß aber hinzufügen, daß Freude und Trauer des Festvolkes verschiedene Stufen einhielten. Was die Trauer anging, so gefielen sich gewisse Gruppen nur darin, einen Zustand der Wanderschaft und des Umherirrens anzudeuten: Reisesäcke auf den Rücken, gestützt auf Wanderstäbe, tappten sie in einer gewissen Trostlosigkeit an dem Königssitz, dem Hochzeitspaar, den hochpriesterlichen Eltern vorüber, ohne geradezu zu wehklagen und sich Tränen zu erpressen. So aber ließen sich auch in der dargestellten Heiterkeit verschiedene Grade beobachten. Sie hatte zum Teil bedeutend-würdige Formen, und ansprechend war es zu sehen, wie mehrmals die Leute schöne irdene Krüge vor den Ehrensitzen aufstellten und sie feierlich nach Osten und Westen umstürzten, indem sie im Chore sprachen – die Einen: »Ergieße dich!«, die Andren: »Empfange den Segen!« Soweit gut. Aber sehr oft – und im Laufe des Abends je mehr und mehr, nahmen Freude und Lachen einen Charakter an, worin der eigentliche Hintergedanke eines Hochzeitsfestes, der Gedanke an Natürlich-Bevorstehendes, sich derb durchdrängte, und man kann es so fassen, daß die Idee verfluchten Raubes und Mordes und diejenige der Fruchtbarkeit einander im Punkte des Unzüchtigen begegneten, so daß die Luft voll war von Anzüglichkeiten, Zwinkern, schlüpfrigen Verständigungen und lautem Gelächter über leise geäußerte Unanständigkeiten. Im Festzuge wurden auch einige Tiere mit herumgeführt: ein Schwan und ein Roß, bei deren Anblick die Brautmutter sich dichter mit ihrem Purpurschleier verhüllte. Aber was soll man dazu sagen, daß unter diesen Geschöpfen sich auch eine trächtige Sau befand, die überdies geritten wurde, – und zwar von einer dicken, halbentblößten Alten von zweideutiger Physiognomie, die sich unaufhörlich in schamlosen Scherzen erging? Dies anstößige alte Weib auf der Sau spielte eine vertraute, beliebte und wichtige Rolle bei der ganzen Veranstaltung und hatte sie schon vorher gespielt; denn sie war mit Asnaths Mutter von On gekommen und hatte ihr schon auf der Reise ständig mit lasziven Späßen in den Ohren gelegen, um die Gramvolle zu erheitern. Dies war ihr Amt und ihre Rolle. Sie hieß »die Trösterin« – der Name wurde ihr in populärer Laune von allen Seiten zugerufen, und sie beantwortete ihn mit groben Gebärden. Während der ganzen Feier wich sie kaum von der Seite der grundsätzlich Untröstlichen, immer bemüht, sie dennoch zu trösten, das heißt: mit zugeraunten Zoten, worin sie unerschöpflich war, zum Lachen zu bringen. Und es gelang ihr auch, weil es ihr gelingen sollte: die beleidigte und zürnend-verzweifelte Mutter lachte wirklich bei ihrem Geflüster von Zeit zu Zeit in die Falten ihres Trauergewandes, und wenn dies geschah, lachte alles Festvolk mit und spendete der »Trösterin« Beifall. Da nun aber Jammer und Zorn der Mutter größtenteils auf Convention beruhten und nur dargestellt wurden, so ist anzunehmen, daß auch ihr Kichern nichts als ein Zugeständnis an die Sitte bedeutete, während sie, wenn es nach ihr gegangen wäre, sich von den Heimlichkeiten der »Trösterin« nur angewidert gefühlt hätte. Höchstens in dem Maße mochte ihre Erheiterung ungeheuchelt sein, wie der natürliche und nicht mythisch übertriebene Kummer einer Mutter es ist, die ihre Tochter an einen Gatten verliert.
    Jedenfalls versteht man nach alledem unseren Vorsatz, über die Einzelheiten von Josephs Hochzeitsfeier nicht zu ausführlich zu sein. Mit Gutheißung hat es nichts zu tun, wenn wir den Vorsatz verletzten. Auch blieb das junge Paar selbst, das sich auf Pharao’s Knien die Hände reichte, von dem ganzen Spektakel fast unberührt und sah vielmehr einander an, als daß es auf die unvermeidlichen Umständlichkeiten des Festes geachtet hätte. Joseph und Asnath waren einander vom ersten Augenblick an sehr zugetan und ein Wohlgefallen das Eine dem Anderen. Selbstverständlich steht bei einer solchen von anderen

Weitere Kostenlose Bücher