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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Haltung, gemildert durch die heitere List der Augen, den gewinnenden Ausdruck der wie beim Labanskinde in ruhigem Lächeln sich zusammenfügenden Lippen, tat ein Übriges, um immer das Urteil lauten zu lassen: Ein ausnehmend schöner Mann! Eine Idee zu voll vielleicht, aber entschieden prächtig.
    Seine persönliche Zunahme stimmt ja zu der Epoche, den laufenden Jahren der Üppigkeit, deren Hang zu staunenswert erhöhtem Lebensbetriebe sich nach allen Richtungen bewährte. Er tat sich in der Viehzucht hervor, wo die Fruchtbarkeit mächtig anschwoll, sodaß sie den Gebildeten an das alte Wort des Liedes gemahnte: »Deine Ziegen sollen zweifach, deine Schafe Zwillinge werfen.« Aber auch die Weiber Ägyptens, in den Städten sowohl wie auf dem flachen Lande, gebaren – wahrscheinlich einfach infolge der günstigen Ernährungslage – viel häufiger als sonst. Freilich traf die Natur, teils durch die Unachtsamkeit der überbürdeten Mütter, teils durch neu eingeführte Säuglingskrankheiten, die Gegenmaßnahme erhöhter KleinKinder-Sterblichkeit, sodaß Übervölkerung verhütet wurde. Nur eben der Betrieb war auffallend größer.
    Auch Pharao wurde Vater – die Herrin der Länder war ja schon hoffend gewesen am Tage der Traumdeutung, aber man war willens, ihre glückliche Niederkunft der Erfüllung zuzurechnen. Es war die liebe Prinzessin Merytatôn, die da zur Welt kam, – die Ärzte verlängerten ihr aus Schönheitsgründen den noch bildsamen Schädel fast übermäßig nach hinten, und der Jubel im Palast sowohl wie im ganzen Lande war desto lauter, als sich die Enttäuschung darunter verbarg, daß kein Thronfolger erschienen war. Er erschien auf diesem Wege auch später niemals; Pharao bekam sein Leben lang nichts als Töchter, im ganzen sechs. Niemand kennt das Gesetz, wonach das Geschlecht der Kreatur sich bestimmt, – ob es dem Keime gleich einhängig ist oder die Waage nach einiger Schwebe erst später nach der oder jener Seite ausschlägt, darüber wissen wir nichts Stichhaltiges vorzubringen, – was nicht zu verwundern ist, da sogar die Weisen von Babel und On nicht Auskunft darüber zu geben wußten, auch im Geheimen nicht. Daß aber nicht bloßer Zufall die Erscheinung von Amenhoteps ausschließlich weiblicher Vaterschaft zeitigte, sondern daß sie auf irgend eine Weise kennzeichnend war für diesen anziehenden Herrscher, will das Gefühl sich nicht ausreden lassen.
    Eine leise und uneingestandene Trübung seines ehelichen Glückes konnte sie nicht umhin hervorzubringen, obgleich selbstverständlich die zarteste wechselseitige Schonung waltete, da ja auch wirklich Eines zum Anderen hätte sprechen können, wie Jaakob zur ungeduldigen Rahel sprach: »Bin ich etwa Gott, der dir nicht geben will, wonach dich verlangt?« – Eine der Süßen Prinzessinnen, die vierte, erhielt aus lauter Zartheit sogar den Beinamen der Königin der Länder, Nefernefruatôn, zum Eigennamen. Aber es zeugt von einem gewissen gelangweilten Nachlassen der Erfindungsfreude, daß die fünfte fast ebenso genannt wurde, nämlich Nefernefrurê. Die Namen der anderen, zum Teil sehr liebevoll erdacht, hätten wir ebenfalls am Schnürchen; aber indem wir eine leichte Verstimmung über die weibliche Einförmigkeit teilen, mit der sie sich aufreihten, haben wir keine Lust, sie herzusagen.
    Erwägt man, daß an der Spitze des Sonnenhauses noch immer Teje, die große Mutter, stand; daß Königin Nefertiti eine Schwester hatte: Nezemmut; daß auch dem Könige eine Schwester lebte, die Süße Prinzessin Baketatôn, und daß dazu im Lauf der Jahre die sechs Königstöchter sich aufreihten, so wird man eines wahren Weiberhofes ansichtig, in welchem Meni das anfällige Hähnchen im Korbe machte, und der zu seinen Phönix-Träumen vom unstofflichen Vatergeiste des Lichtes in eigentümlichem Widerspruch stand. Unwillkürlich muß man an Josephs Äußerung im großen Gespräche denken, die zu seinen besseren zählt: Daß die Kraft, die von unten hinauf in die Lauterkeit des Lichtes strebe, wahrlich Kraft sein müsse und von Mannesart, nicht bloße Zärtlichkeit.
    Ein leichter Schatten also lag über dem Königsglück Amenhotep’s und seiner »goldenen Taube«, der süßen Herrin der Länder, darum, daß kein Sohn ihnen beschert war. Glücklich nun war auch Josephs räuberische Ehe mit Asnath, dem Mädchen, glücklich und harmonisch durchaus – mit einer gegenteiligen Einschränkung. Ihnen wurden lauter Söhne zuteil: einer, zweie und später noch

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