Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
heimlich schon auf der Suche war nach neuer Empfindung. Da erst wurde er Thamars gewahr und zog sie an sich um ihrer Bewunderung willen.
Damals waren seine Söhne, die Elfe, schon fast alle vermählt, die Älteren längst, die Jüngeren kürzlich, und hatten Kinder von ihren Weibern. Selbst Benjamin-Benoni, das Todessöhnchen, war bald an der Reihe: kaum, daß er kein Knirps mehr war, sondern jung wurde und mannbar, sieben Jahre etwa nachdem er den leiblichen Bruder verloren, versorgte Jaakob ihn und freite ihm erst Mahalia, die Tochter eines gewissen Aram, von dem es hieß, daß er ein »Enkel Thara’s«, auf irgend eine Weise also ein Nachkomme Abrams oder eines seiner Brüder sei; und dann noch das Mägdlein Arbath, eines Mannes Tochter, der Simron hieß, und den man geradezu als einen »Sohn Abrahams« bezeichnete, womit gemeint sein mochte, daß er aus dessen Samen von seiten irgendeines Kebsweibes sei. Es gab in Dingen der Abstammung von Jaakobs Schwiegertöchtern manche Beschönigungen und Einbildungen, an denen zugunsten der Blutseinheit des geistlichen Stammes halb und halb festgehalten wurde, obgleich sie auf schwachen Füßen standen und auch nur in einigen Fällen versucht wurden. Levi’s und Issakhars Frauen hielt man für »Enkelinnen Ebers«, – vielleicht waren sie es; sie hätten darum noch immer von Assur oder Elam herkommen können. Gad und der geläufige Naphtali hatten sich nach des Vaters Vorbild Frauen geholt aus Charan in Mesopotamien, aber daß sie wirklich Urenkelinnen Nahors, des Onkels Abrahams, seien, behaupteten nicht sie selber, es wurde ihnen zugeschrieben. Der genäschige Ascher nahm sich ein braunes Kind vom Stamme Ismael, – nun, das war eine Verwandtschaft, wenn auch eine bedenkliche. Sebulun, von dem man eine phönizische Heirat hätte erwarten sollen, ging in Wirklichkeit eine midianitische ein, – korrekt also nur insofern, als Midian ein Sohn der Ketura, Abrahams zweiter Frau, gewesen war. Aber hatte nicht gleich schon der große Ruben sich schlecht und recht mit einer Kanaaniterin vermählt? So hatte Juda getan, wie wir wissen, und so Schimeon, denn seine Buna war aus Schekem geraubt. Was Dan, von Bilha, betraf, den man Schlange und Otter nannte, so war bekanntlich sein Weib eine Moabiterin, Stammtochter also jenes Moab, den Lots Älteste ihrem eigenen Vater geboren hatte, sich selbst zum Geschwister. Sonderlich geheuer war eben auch das nicht, noch hatte es mit Blutseinheit zu tun, da Lot nicht Abrams »Bruder«, sondern nur ein Proselyt gewesen war. Von Adam freilich stammte auch er, allenfalls sogar von Sem, da er aus dem Zweistromland gekommen war. Blutseinheit ist immer nachzuweisen, wenn man den Rahmen weit genug zieht.
Die Söhne alle also »brachten ihre Frauen in das väterliche Haus«, wie wir berichtet sind, das heißt: das Sippenlager im Haine Mamre, nahe Kirjath Arba und nahe dem Erbbegräbnis, um Jaakobs härenes Haus herum, nahm zu, wie die Tage sich mehrten, und Nachkommenschaft wimmelte, der Verheißung gemäß, um Jaakobs Knie, wenn der hohe Greis es erlaubte, und er erlaubte es in seiner Güte zuweilen und herzte die Enkel. Namentlich Benjamins Kinder herzte er; denn Turturra, ein stämmiges Bürschchen, das immer noch seine vertrauenden grauen Augen und seine dick-metallische Haares-Sturmhaube hatte, wurde in rascher Folge Vater von fünf Söhnen, die ihm seine Aramäerin gebar, und zwischendurch noch von anderen Kleinen, die ihm die Tochter Simrons bescherte, und Jaakob bevorzugte die Rahelsenkel. Aber trotz ihrem Vorhandensein und Benoni’s Vaterwürde behandelte er den Jüngsten immer noch wie ein Kind, hielt ihn am Gängelband wie einen Unmündigen und gab ihm geringste Bewegungsfreiheit, damit ihn kein Unglück beträfe. Kaum in die Stadt, nach Hebron, zu gehen, kaum auf das Feld, geschweige denn eine Reise zu tun über Land, erlaubte er dem Rahelspfande, das ihm geblieben, und das er zwar entfernt nicht liebte wie Joseph, sodaß denn eigentlich kein Grund war, die obere Eifersucht zu fürchten um seinetwillen, das aber doch, seit der Schöne dem Zahn des Schweines verfallen, zum einzigen Schatz seiner Sorge und seines Mißtrauens geworden war, weshalb er es nicht aus den Augen ließ und keine Stunde verbringen wollte, ohne zu wissen, wo Benjamin war und was er trieb. Dieser ließ sich die peinliche Aufsicht, die seinem Gattenansehen wenig zuträglich war, wehmütig-gehorsam gefallen und stellte sich nach Jaakobs schrulligem Willen mehrmals am
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