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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sein soll, nichts ändern könnte. Die Brüder mochten der zehnköpfige Kain, sie mochten Brudermörder sein, – sie waren doch, was sie waren, Jaakobs Söhne, das einmal Gegebene, womit man zu rechnen hatte, sie waren Israel. Jaakob nämlich hatte beschlossen und sich gewöhnt, den Namen, den er sich am Jabbock errungen, und von dem er hinkte, nicht auf seine Einzelperson allein zu beziehen, sondern ihm eine weitere und größere Meinung zu geben. Warum nicht? Da es sein Name war, schwer errungen bis zum Morgenrot, durfte er darüber verfügen. Israel, so sollte nicht mehr nur er persönlich genannt sein, sondern alles, was zu ihm, dem Segensmanne, vom zweiten bis zum spätest-niemals spätesten Gliede noch in allen Verzweigungen und Seitenverwandtschaften gehörte, die Sippe, der Stamm, das Volk, dessen Zahl wie der Sterne Zahl sein sollte und wie des Sandes am Meer. Die Kinder, denen zuweilen erlaubt war, um Jaakobs Knie zu spielen, – sie waren Israel, zusammenfassend nannte er sie so, zu seiner Erleichterung gleichzeitig, da er sich nicht alle ihre Namen merken konnte: besonders die Namen der Kinder der ismaelitischen und eindeutig kanaanitischen Weiber konnte er sich schlecht merken. Aber »Jisrael« waren auch diese Weiber, einschließlich der Moabiterin und der Sklavin aus Schekem; und »Jisrael« waren zunächst und vor allem einmal ihre Gatten, die Elfe, um ihre Tierkreiszahl gebracht durch früh gegründeten und immer seienden Bruderzwist und durch heldische Opferkraft, – aber noch immer in stattlicher Anzahl beisammen, Jaakobs Söhne, die Stammväter der Zahllosen, denen sie stammweise ihrerseits einst ihre Namen verleihen mochten – gewaltige Leute vor dem Herrn, wie jeder von ihnen nun einmal beschaffen sein und was ihr Augenniederschlag zu bedeuten haben mochte vor dem Verdacht. War das nicht gleichviel, da sie auf jeden Fall »Jisrael« blieben? Denn das wußte Jaakob, lange bevor es geschrieben stand – und es steht nur geschrieben, weil er es wußte –, daß Jisrael, auch wenn es gesündigt hat, immer Israel bleibt.
    In Israel aber, dem elfköpfigen Löwen, war ein Haupt der Segenserbe vor den anderen, wie Jaakob es gewesen war vor Esau, – und Joseph war tot. Auf einem ruhte die Verheißung, oder sollte sie ruhen, wenn Jaakob den Segen verspendete: daß von ihm das Heil kommen solle, für welches der Vater seit langem einen Namen suchte und einen vorläufigen gefunden hatte, den niemand kannte, außer dem jungen Weib, das zu Jaakobs Füßen saß. Wer aber war der Erwählte unter den Brüdern, von dem es kommen sollte? Der Segensmann, bei dessen Bestimmung es nicht mehr nach der Liebeswahl ging – denn die Liebe war tot? Nicht Ruben, der Älteste, der wie ein überkochend dahinschießendes Wasser war und hatte das Flußpferd gespielt. Nicht Schimeon und Levi, die persönlich nichts als geölte Flegel waren und ebenfalls Unvergeßbares auf dem Kerbholz hatten. Denn sie hatten sich aufgeführt zu Schekem wie wilde Heiden und sich benommen wie Feldteufel in Hemors Stadt. Diese drei waren verflucht, soweit eben Israel verflucht sein konnte; sie kamen in Wegfall. Und also mußte der Vierte es sein, der nach ihnen kam, Juda, – er war’s.
    Astaroth
    Wußte er, daß er es war? Er konnte es sich an den Fingern abzählen, und das tat er buchstäblich öfters, aber nie ohne vor seiner Erberwählung zu erschrecken und schmerzlich zu zweifeln, ob er ihrer würdig sei, ja zu befürchten, sie möchte in ihm verderben. Wir kennen Jehuda; wir haben zu Zeiten, als Joseph noch am Herzen des Vaters lag, sein leidendes Löwenhaupt mit den Hirschaugen unter den Häuptern der Brüder gesehen und hatten ein Auge auf ihn auch bei Josephs Untergang. Alles in allem stand er nicht schlecht in dieser Sache: nicht so gut, natürlich, wie Benjamin, der »zu Hause« gewesen war, aber fast so gut wie Ruben, der nie des Knaben Tod gewollt, sondern ihm die Grube verschafft hatte, daß er ihn daraus stehle. Ihn aus der Grube zu ziehen und ihm das Leben zu schenken, das war aber auch Juda’s Wunsch und Vorschlag gewesen; denn er war’s, der vorgeschlagen hatte, den Bruder zu verkaufen, weil man’s dem Lamech des Liedes ja doch nicht gleichzutun gewußt habe in diesen Läuften. Die Begründung war nebensächlich und vorwandhaft, wie meistens Begründungen sind. Jehuda hatte volles Gefühl dafür, daß, den Knaben im Loche verkommen zu lassen, um kein Haar besser war, als sein Blut zu vergießen, und hatte ihn retten

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