Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
wollen. Daß er insofern mit seinem Vorschlag zu spät kam, als die Ismaeliter ihr Werk schon getan und den Joseph befreit hatten, war nicht seine Schuld, – er konnte von sich sagen, daß er vergleichsweise löblich dastehe in dieser verfluchten Sache, da er den Jungen hatte wollen davonkommen lassen.
Dennoch ging ihm das Verbrechen ärger nach, als denen, die garnichts zu ihrer Reinigung hätten anführen können, – wie denn auch nicht? Verbrechen sollen lieber nur Stumpfe begehen; es macht ihnen nichts, sie leben ihren Tag hinterdrein, und nichts geht ihnen nach. Das Böse ist für die Stumpfen. Wer auch nur Spuren von Zartheit aufweist, der lasse seine Hand davon, wenn er irgend kann, denn er muß es ausbaden, und nützt ihm nichts, daß er Gewissen bewiesen hat in solcher Sache: bestraft wird er gerade um seines Gewissens willen.
Dem Juda ging die an Joseph und an dem Vater begangene Tat entsetzlich nach. Er litt an ihr, denn er war zum Leiden befähigt, wie seine Hirschaugen und ein bestimmter Zug um die feinen Nüstern, die vollen Lippen uns gleich vermuten ließen, und sie schuf ihm viel Fluch und strafendes Übel, – oder vielmehr: was er an Fluch und Übel erlitt, das schob er auf sie und sah’s als Vergeltung an für das Begangene, das Mitbegangene, – was nun wieder von einem seltsamen Hochmut des Gewissens zeugt. Denn er sah ja, daß die anderen, Dan, oder Gaddiel, oder Sebulun, von den wilden Zwillingen nicht zu reden, frei ausgingen, daß es ihnen garnichts machte und sie nichts zu büßen hatten, was ihn auf den Gedanken hätte bringen können, daß seine eigenen Plagen, die mit sich selbst und die mit seinen Söhnen, vielleicht dem Begangenen oder Mitbegangenen ganz fremd seien und ihm unabhängig davon, aus ihm selbst, erwuchsen. Aber nein, er wollte es so, daß er Strafe leide, er allein, und blickte mit Geringschätzung auf die, die ungeplagt blieben dank ihrer Dickfelligkeit. Und das ist der eigentümliche Hochmut des Gewissens.
Die Plagen nun, die er ausstand, trugen alle das Zeichen der Astaroth, und er durfte sich nicht wundern, daß sie aus diesem Weltwinkel kamen, da er von der Herrin schon immer geplagt worden, das heißt: ihr untertan gewesen war, ohne sie zu lieben. Juda glaubte an den Gott seiner Väter, El Eljon, den Höchsten, Shaddai, den Mächtigen Jaakobs, den Fels und den Hirten, Jahwe, von dessen Nase, wenn er zornig war, Dampf ging und verzehrend Feuer von seinem Munde, daß es davon blitzte. Ihn ließ er Speisopfer riechen und opferte ihm Ochsen und Milchlämmlein, so oft es angezeigt schien. Außerdem aber glaubte er auch an die Elohim der Völker, – wogegen nicht viel zu sagen war, wenn er ihnen nur nicht diente. Beobachtet man, wie spät noch und wie weitab von den Gründungen das Volk Jaakobs von seinen Meistern fluchend ermahnt werden mußte, die fremden Götter, Baalim und Astaroth, von sich zu tun und nicht mit den Moabitern Opferschmäuse zu halten, so hat man den Eindruck arger Ungefestigtheit und der Neigung zum Rückfall und Abfall bis ins späteste Glied und wird nicht erstaunt sein, daß eine so frühe, der Quelle so nahe Figur wie Jehuda ben Jekew an Astaroth glaubte, die eine überaus volkstümliche und unter abweichenden Namen überall verherrlichte Göttin war. Sie war seine Herrin, und er trug ihr Joch, das war die leidige – seinem Geiste und seiner Berufenheit leidige – Wirklichkeit, – und wie hätte er also nicht an sie glauben sollen? Er opferte ihr nicht, – nicht im engeren Sinne des Wortes, das heißt: nicht Ochsen und Milchlämmlein verbrannte er ihr. Aber zu leidigeren, leidenschaftlicheren Opfern hielt ihr grausamer Speer ihn an, Opfern, die er nicht gerne, nicht heiteren Herzens, brachte, sondern nur unter Zwang der Herrin; denn sein Geist lag mit seiner Lust in Widerstreit, und er löste sich aus keiner Hierodule Armen, ohne sein Haupt in Scham zu bergen und aufs schmerzlichste an seiner Tauglichkeit zur Erberwählung zu zweifeln.
Seit sie nun miteinander Joseph aus der Welt geschafft, hatte Juda begonnen, die Plagen Aschtarti’s als eine Strafe anzusehen für seine Untat; denn sie steigerten sich, umgaben ihn von außen, wie sie ihn von innen zwackten, und es ist kaum anders zu sagen, als daß der Mann seitdem in der Hölle büßte, – in einer der Höllen, die’s gibt, der Geschlechtshölle.
Mancher wird denken: das kann die schlimmste nicht sein. Aber wer so denkt, der kennt den Durst nach Reinheit nicht, ohne welchen es
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