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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nur im Allgemeinsten aufgeklärt, so bleibt nichts Wunderbares, wenn auch viel Schreckliches, an der Erscheinung, daß Teuerung wird gleichzeitig »in allen Ländern«, nicht nur in dem des Schlammes, sondern auch in Syrien, Philisterland, Kanaan, sogar den Ländern des roten Meeres, wohl gar auch gleich noch in Mesopotamien und Babylonien, und daß die Teuerung »groß ist in allen Landen«. Ja, kommt das Ärgste zum Argen, so mag ein Jahr der Störung, des Ausbleibens und des Versagens in böser Wiederholungslaune sich ans andere reihen, die Unglückssträhne sich über eine Mehrzahl von Jahren erstrecken: wenn die Prüfung ins Märchenhafte wächst, sogar über sieben Jahre, aber auch fünf sind schon schlimm genug.
    Joseph lebt gerne
    Fünf Jahre lang war alles so herrlich gegangen mit Winden, Wasser und Wachstum, daß man aus Dankbarkeit die Fünf zur Sieben ernannte – sie verdiente es völlig. Nun wendete sich das Blatt, wie Pharao, mütterlich besorgt ums Reich der Schwärze, es undeutlich vorgeträumt und Joseph es deutlich zu deuten gewagt hatte: der Nil blieb aus im Zusammenhang damit, daß zu Kanaan die Winterregen, die Spätregen zumal, ausblieben, – er blieb aus einmal: das war eine Trauer; er blieb aus zweimal: das war ein Klaggeschrei; er blieb aus zum dritten Male: das war ein bleiches Händeringen, – und nun konnte er auch ebenso gut noch so oft ausbleiben, daß man es eine Dürre und Spreuzeit von sieben Jahren nennen möchte.
    Es geht uns Menschen bei solchem außerordentlichen Verhalten der Natur immer gleicher Weise: zu Anfang täuschen wir uns, alltäglich gesinnt wie wir sind, über den Charakter des Vorkommnisses, verstehen nicht, worauf es hinaus will. Gutmütig halten wir es für einen Zwischenfall gewöhnlichmäßiger Art, und es ist seltsam, an diese Blindheit, dies Mißverständnis zurückzudenken, nachdem wir allmählich gewahr geworden, daß es sich um eine extravagante Heimsuchung, eine Kalamität erster Ordnung handelt, von der wir nicht gedacht hätten, daß sie uns selbst, zu unseren Lebzeiten zustoßen werde. So auch die Kinder Ägyptens. Es dauerte lange, bis sie begriffen, daß das Phänomen über sie gekommen war, das »sieben Spreujahre« heißt und das sich vor Zeiten wohl schon ereignet hatte, auch in ihrem fabelnden Schrifttum eine gruselige Rolle spielte, dessen Erlebnis sie aber sich selbst nicht zugetraut hätten. Und doch war die Begriffstutzigkeit vor dem, was da seinen Anfang genommen hatte, in ihrem Falle weniger verzeihlich, als wohl sonst unsere Kurzsicht. Denn Pharao hatte geträumt und Joseph gedeutet. War nicht die Tatsache, daß die geweissagten sieben fetten Jahre wirklich eingetreten waren, beinahe schon der Beweis dafür gewesen, daß auch die sieben mageren eintreten würden? Diese aber hatten die Kinder Ägyptens sich während der fetten aus dem Sinn geschlagen, wie Einer sich des Teufels Rechnung aus dem Sinn schlägt. Nun ward diese Rechnung vorgelegt, – als der Ernährer zwei-, dreimal erbärmlich klein gewesen war, mußten sie sichs gestehen; und eine öffentliche Folge ihres Begreifens war ein gewaltiges Wachstum von Josephs Ansehen.
    War diesem schon das Eintreffen der Jahre des Überflusses sehr günstig gewesen, wie sehr erst mußte sein Ruhm sich erhöhen, als sich herausstellte, daß auch die mageren angelangt waren und seine dagegen getroffenen Vorkehrungen sich als die Eingebung höchster Weisheit zu erkennen gaben! Ein Landwirtschaftsminister hat wohl in Spreu- und Hungerzeiten einen schweren Stand, denn das dumpfe Volk, dessen Sache Vernunft und Billigkeit niemals sind, wird immer geneigt sein, dem für das Reich der Schwärze Höchst-Verantwortlichen emotionaler Weise die Schuld an dem natürlichen Unheil zu geben. Ganz anders aber steht er da, wenn er die Heimsuchung vorausgesagt hat; und wiederum noch ganz anders, nämlich höchst ruhmreich und ehrfurchtgebietend, wenn er bei Zeiten zauberhafte Schutzmaßnahmen dagegen erstellt hat, die das Übel, möge es auch die Macht bewahren, große Umwälzungen herbeizuführen, doch seines Charakters als Katastrophe berauben.
    In zugezogenen Söhnen der Fremde bilden sich die Triebe und seelischen Eigenschaften ihres Wirtsvolkes oft fast stärker und beispielhafter aus, als in den Ursassen selbst. Dem Joseph war während der zwanzig Jahre seiner Einbürgerung ins Land seiner Entrückung und Absonderung die auszeichnend-bezeichnende ägyptische Idee sorgend-abwehrender Selbstbehütung in

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