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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sein für eine Weile. Als ob die Hölle sich je ersättigte! Schmachvolle Neugier, absurde, nach dem hundertfach Abgeschmackten! Was wird sie sagen und wie sich gehaben? Einer, der nach mir kommt, mag es erproben. Ich gehe vorüber.
    Und er blieb stehen.
    »Die Herrin zum Gruß!« sagte er.
    »Sie stärke dich!« flüsterte sie.
    Da hatte der Engel der Lüste ihn schon gepackt, und ihr Flüstern machte, daß er vor Neugier erschauerte nach dem Weibe.
    »Raunende Wegelagerin«, sagte er mit bebendem Munde, »auf wen wartest du?«
    »Ich warte«, antwortete sie, »auf einen lustigen Lüstling, der die Geheimnisse der Göttin mit mir teilen will.«
    »Da komm ich halbwegs recht«, sagte er, »denn ein Lüstling bin ich, wenn auch kein lustiger. Ich habe keine Lust zur Lust, aber sie zu mir. In deinem Amt, denke ich mir, ist man auch nicht sehr lustig zur Lust, sondern muß froh sein, wenn andere Lust haben.«
    »Wir sind Spenderinnen«, antwortete sie. »Kommt aber der Rechte, wissen wir auch zu empfangen. Hast du Lust zu mir?«
    Er rührte sie an.
    »Was gibst du mir aber?« hielt sie ihn auf.
    Er lachte.
    »Zum Zeichen«, sprach er, »daß ich ein Lüstling mit einem Anflug von Lustigkeit bin, will ich dir einen Ziegenbock von der Herde geben, daß du mein gedenkest.«
    »Aber du hast ihn nicht mit dir.«
    »Ich will ihn dir schicken.«
    »Das sagt man vorher. Nachher ist man ein anderer Mann, der des Vorigen Wort nicht kennt. Ich muß ein Pfand haben.«
    »Nenne es!«
    »Gib mir den Ring deines Fingers, die Knotenschnur um deinen Hals und den Knaufstock in deiner Hand!«
    »Du weißt für die Herrin zu sorgen!« sagte er. »Nimm!«
    Und er sang das Lied mit ihr am Wege im Abendrot, und sie entschwand um die Mauer. Er aber ging heim und sagte am nächsten Morgen zu Hirah, seinem Hirten:
    »Übrigens so und so, du weißt, wie’s geht. Es war da am Tor von Enajim, der Stätte Enam, eine Tempelmetze, mit deren Augen es etwas auf sich hatte unter dem Ketônet, – kurz, was rede ich viel unter Männern! Sei so gut und bring ihr den Ziegenbock, den ich ihr versprochen habe, daß ich meine Sachen wiederbekomme, die ich ihr lassen mußte, Ring, Stab und Schnur. Bring ihr einen guten Mamberbock, der was taugt, ich will mich von der Lümpin nicht lumpen lassen. Mag sein, sie sitzt wieder am Tor; sonst frage die Leute!«
    Hirah wählte den Bock, teuflisch häßlich und prächtig, mit Ringelhörnern, gespaltener Nase und langem Bart, und führte ihn nach Enajim, ans Tor, wo niemand war. »Die Hure«, fragte er drinnen, »die außen am Wege saß? Wo ist sie? Ihr müßt doch eure Hure kennen!«
    Sie antworteten ihm aber:
    »Hier war und ist keine Hure. Das gibt’s nicht bei uns. Wir sind ein dezentes Städtchen. Such dir woanders die Geiß für deinen Bock, sonst fliegen Steine!«
    Das sagte Hirah dem Juda an, der die Achseln zuckte.
    »Kann man sie nicht finden«, sprach er, »ist’s ihre Schuld. Die meine haben wir angeboten, und kann uns niemand was nachsagen. Mein Sach freilich bin ich los. Der Stock hatte einen Kristallknopf. Tu’ den Bock wieder zur Herde!«
    Damit vergaß er’s. Drei Monate später aber ward offenbar, daß Thamar in der Hoffnung war.
    Es war ein Skandal, wie er in dieser Gegend lange nicht vorgekommen. Sie hatte als Witwe gelebt, in Leidkleidern, in ihrer Eltern Haus, und nun kam zu Tage und war nicht mehr zu verbergen, daß sie’s getrieben hatte schamlos und todeswürdig! Die Männer grollten dumpf, die Weiber kreischten Hohn und Verwünschung. Denn Thamar war hoffärtig gewesen alle Zeit gegen sie alle und hatte getan, als sei sie was Besseres. Zu Juda kam gleich das Geschrei: »Weißt du’s, weißt du’s? Thamar, deine Schnur, hat sich aufgeführt, daß sie’s nicht länger verbergen kann. Schwanger ist sie von Hurerei!«
    Juda erbleichte. Seine Hirschaugen traten vor, seine Nüstern flatterten. Sünder können äußerst reizbar sein gegen die Sünde der Welt; dazu war sein Blut böse gegen das Weib, weil sie ihm zwei Söhne gefressen, und auch, weil er ihr sein Wort gebrochen hatte wegen des dritten.
    »Sie hat ein Laster verwirkt«, sagte er. »Ehern sei der Himmel über ihrem Haupt und eisern die Erde unter ihr! Man soll sie mit Feuer verbrennen! Sehr leicht war sie des Brandpfahls schuldig schon längst, nun aber liegt’s offen, daß sie einen Greuel begangen hat in Israel und hat ihr Leidkleid besudelt. Man soll sie herausführen vor die Tür ihres Vaters Hauses und sie zu Asche

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