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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Fleisch und Blut übergegangen, und zwar so, daß er zwar aus ihr handelte, es aber nicht unbewußt tat, sondern Abstand genug dabei von der bestimmenden Idee bewahrte, um persönlich von ihr geleitet, auch noch ihre Volkstümlichkeit im lächelnden Auge zu haben und auf diese sein Handeln abzustellen – eine Vereinigung von Echtheit und Humor, die reizvoller ist als Echtheit allein, ohne Abstand und Lächeln.
    Für seine Saat, das heißt: seine steuerliche Bewirtschaftung der Fülle, war nun die Zeit der Ernte gekommen, – will sagen: die Zeit der Austeilung und eines Korngeschäfts, wie es so fett und einkömmlich noch keinem Sohn des Rê seit der Zeit des Gottes je war bereitet worden. Denn wie es im Buche steht und im Liede heißt: »Es war eine Teuerung in allen Landen, aber in ganz Ägyptenland war Brot.« Was selbstverständlich nicht sagen will, daß nicht auch in Ägyptenland Teuerung war; denn wie sich bei bedürftigster Nachfrage der Kornpreis gestaltete, das kann ein jeder sich ausmalen, dem von den Gesetzen der Volkswirtschaft auch nur eine blasse Ahnung angeflogen ist. Er möge erblassen bei seiner Ahnung, zugleich aber bedenken, daß diese Teuerung bewirtschaftet wurde, wie vordem die Fülle, nämlich von demselben freundlichen und verschlagenen Mann, der diese bewirtschaftet hatte; daß die Teuerung in seiner Hand lag und er damit machen konnte, was er wollte: Für Pharao machte er in Treuen das Beste daraus, zugleich aber auch für die, die ihr am wenigsten gewachsen waren, die kleinen Leute. Für sie machte er sie zur Gratis-Teuerung.
    Dies geschah durch ein zusammengesetztes System von Ausnutzung der Geschäftslage und Mildtätigkeit, von Staatswucher und fiskalischer Fürsorge, wie man es noch nicht erlebt hatte, sodaß es in seiner Mischung aus Härte und Freundlichkeit jedermann, auch die von der Ausnutzung Betroffenen, märchenhaft und göttlich anmutete; denn das Göttliche benimmt und äußert sich auf diese zweideutige Art, – man weiß nicht, ob man es grausam oder gütig nennen soll.
    Die Lage ist nicht extravagant genug zu denken. Für den Zustand der Landwirtschaft bot der Traum von den sieben versengten Ähren ein so treffendes Gleichnis, daß es schon gar kein Gleichnis mehr war, sondern die dürre Wirklichkeit. Versengt gewesen waren die Traum-Ähren vom Ostwind, nämlich von Chamsin, einem glühenden Süd-Östler, – und der ging neuerdings während der ganzen Sommer- und Erntejahreszeit, Schemu genannt, vom Februar bis Juni, fast ununterbrochen, öfters als ofenheißer Sturm, die Luft mit feinem Staub erfüllend und mit ihm aschig die Pflanzen bedeckend, sodaß, was nach schwächlichem Verhalten des unernährten Ernährers etwa gewachsen war, unter dem Anhauch der Wüste verkohlte. Sieben Ähren? Ja, davon mochte man sprechen; mehr waren es nicht. Mit anderen Worten: Ähren und Ernte waren nicht da. Was aber da war in ungezählten, eigentlich aber doch sehr wohl gezählten und aufgezeichneten Mengen, das war Korn, war Saat- und Brotfrucht allerlei Art: nämlich in den königlichen Magazinen und Spargruben stromauf und stromab in allen Städten und ihrer Umgebung durch ganz Ägyptenland und nur in Ägyptenland; denn anderwärts hatte es keine Vorsorge gegeben und keinen Kastenbau in Voraussicht der Flut. Ja, in ganz Ägyptenland, und nur hier, war Brot: in Staates Hand, in der Hand Josephs, des Vorstehers all dessen, was der Himmel gibt; und nun wurde er selbst wie der Himmel, der gibt und wie der Nil, der ernährt: Er tat seine Vorratshäuser auf – nicht sperrangelweit, sondern mit Bedacht und indem er sie zwischenein wieder schloß, – tat sie auf und gab Brot und Saat allen, die es brauchten, und das waren alle: Ägypter sowohl wie Ausländer, die angereist kamen, Getreide zu holen aus Pharao’s Land, das mit mehr Recht, als je, eine Kornkammer hieß, die Kornkammer der Welt. Er gab, das heißt: er verkaufte denen, die hatten, zu Preisen, die nicht sie bestimmten, sondern er, der unerhörten Geschäftslage entsprechend, sodaß er Pharao golden und silbern machte und dennoch zugleich noch geben konnte in einem anderen Sinn: den Kleinen und Rippenmageren nämlich; denen ließ er austeilen, wenn auch das Notwendigste nur, wonach sie schrien, den Kleinbauern und Städtern der Rinnsteingassen, für Saat und Brot, damit sie lebten und nicht stürben.
    Das war göttlich, und löblichem menschlichem Vorbild gemäß war es auch. Es hatte immer gute Beamte gegeben, die sich selbst

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