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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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durch, so sorglich, wie sie hergestellt worden waren.
    Sie kommen
    Es war im zweiten Jahre der mageren Kühe, an einem Tage Mitte Epiphi, nach unserer Rechnung zur Maienzeit, und furchtbar heiß – wie’s in Ägyptenland nun einmal heiß ist im Sommer-Drittel, aber noch übers Maß hinaus: die Sonne fiel wie Feuer vom Himmel, im Schatten hätten wir vierzig Grad gemessen, der Staubwind ging und trieb dir in Menfe’s Gassen den Wüstensand in die entzündeten Augen. Es war den Fliegen zuviel, und matt wie sie waren die Menschen. Für eine halbe Stunde Nord-West-Brise hätten die Reichen viel Gold gegeben und es in Kauf genommen, daß auch die Armen ein Gutes davon gehabt hätten.
    Joseph jedoch, des Königs Oberster Mund, zeigte sich, obgleich nassen, sandigen Angesichts auch er, um Mittag vom Schreibpalast nach Hause zurückkehrend, sehr lebhaft angeregt und von beweglichen Gliedern – wenn diese Worte seinem Zustand gerecht werden. Seine Sänfte, gefolgt von den Fahrzeugen einiger Großer des Ministeriums, die mit ihm zu Mittag speisen sollten, hatte ihn, einer Gewohnheit gemäß, die der Vice-Gott auch heute nicht verleugnete, von der Prunk-Avenue bald ablenkend, durch etliche Rinnsteingassen der Rippenmageren getragen, wo er sehr herzlich, begeistert-vertraulich begrüßt worden war. »Djepnuteefonech!« hatten die Leutchen gerufen und ihm Kußhände geworfen. »Chapi! Chapi! Zehntausend Lebensjahre dir, Ernährer, über dein Schicksalsende hinaus!« Und sie, die man nur in eine Matte wickeln würde, wenn man sie in die Wüste hinaustrug, wünschten ihm zu: »Vier feine Krüge für deine Eingeweide und deiner Mumie einen Sarg aus Alabaster!« – Das war ihre Sympathie, die der seinen erwiderte.
    Nun trug man ihn durch das ausgemalte Mauer-Tor seiner Gnaden-Villa in den Vorgarten ein, wo Öl-, Pfeffer- und Feigenbäume, Cypressendunkel und Palmen-Fächer sich nebst den bunten Papyrussäulen der dem Hause vorgelagerten Terrasse in dem ummauerten Karree eines Lotosteiches spiegelten. Um diesen herum führte der breite Sandweg der Anfahrt, und da die Träger standen, hielten die Läufer ihm Kniee und Nacken hin, daß er erst darauf den Fuß setze, bevor er zu Boden stiege. Mai-Sachme, sein Haushalter, erwartete ihn in aller Ruhe auf der Terrasse, nämlich zu Häupten der seitlichen Freitreppe, zusammen mit den beiden Windspielen vom Lande Punt, Hepi und Hezes genannt, äußerst vornehmen, mit goldenen Halsringen geschmückten und vor Nervosität zitternden Tieren. Pharao’s Freund sprang die flachen Stufen hurtiger als sonst hinauf, hurtiger eigentlich, als es einem ägyptischen Großen vor Zuschauern anstand. Er blickte sich nicht nach seinem Gefolge um.
    »Mai«, sagte er hastig und mit gepreßter Stimme, während er die Köpfe der Hunde streichelte, die ihm zur Begrüßung die Pfoten auf die Brust setzten, »ich muß dich sofort allein sprechen, komm gleich einmal mit mir in mein Eigen und laß die warten, es eilt nicht so mit dem Mahl, selbst werde ich doch nichts essen können, und es gibt Dringlicheres, die Rolle hier in meiner Hand betreffend, oder vielmehr: die Rolle hier betrifft das Dringlichere, – ich werde dir schon klar machen, was ich rede, wenn du sofort einmal mit mir kommen willst in mein Eigen, wo wir allein sind ...«
    »Nur Ruhe«, erwiderte Mai-Sachme. »Was hast du, Adôn? Du zappelst ja? Und daß du nicht solltest essen können, das will ich nicht gehört haben, – du, der so viele essen macht. Willst du dich nicht erst einmal mit lebendigem Wasser vom Schweiße reinigen? Man soll den Schweiß nicht veralten lassen in den Poren und Körperhöhlen. Er ätzt und reizt, besonders wenn er mit grießigem Staub vermischt ist.«
    »Das auch, das später, Mai, Waschen und Essen ist jetzt vergleichsweise nicht dringlich, denn du mußt wissen, was ich weiß, weil diese Rolle mich’s lehrt, die mir jetzt gerade, bevor ich aufbrach, im Amte zugestellt wurde, und zwar nämlich, daß es nun eingetroffen ist, oder vielmehr: sie sind eingetroffen, was ebendasselbe ist, – eingetroffen ist’s, daß sie eintrafen, und nun fragt es sich, was geschehen soll, und wie wir’s anfangen, und wo ich hin soll, denn ich bin furchtbar aufgeregt!«
    »Wieso denn, Adôn? Nur Ruhe! Wovon man sagt, es sei eingetroffen, darauf war man gefaßt, und worauf man gefaßt war, das kann einen nicht erschrecken. Wenn du mir gütigst sagen willst, wer und was eingetroffen ist, so werde ich dir beweisen, daß kein Grund zum

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