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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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auch voraussehen können, fragte Jehuda noch, daß der Mann gleich nach dem Bruder verlangen und ihnen auflegen würde: »Bringt ihn hernieder!«?
    Er war es, der Geprüfte, der heute vornehmlich sprach. So war es ausgemacht zwischen ihnen für den Fall, daß Jaakob Zeichen von Mürbigkeit gäbe; denn Re’uben, da er recht ungeschickt und eher geschmacklos mit seinen beiden Söhnen dahingeschossen, daß Jaakob sie erwürge, war schon zurückgewiesen, und Levi, obgleich stark betroffen durch den Verlust seines Zwillings und nur noch ein halber Mann seitdem, konnte nicht vorgeschickt werden von wegen Schekems. Juda aber sprach vorzüglich, mit männlicher Wärme und überzeugend.
    »Israel«, sagte er, »überwinde dich und sollst du ringen müssen mit dir selbst bis zum Morgenrot, wie einst mit einem andern! Dies ist eine Jaakobs-Stunde, wolltest du doch daraus hervorgehen wie ein Held Gottes! Siehe, des Mannes Sinn dort unten ist unwandelbar. Wir sehen ihn nicht, und Lea’s Dritter bleibt dem Diensthaus verfallen, auch ist kein Gedanke an Brot, es sei denn Benjamin mit uns. Ich, dein Löwe, weiß, wie sauer dich’s ankommt, das Rahelspfand auf die Fahrt zu geben, von wegen ›immer zu Hause sein‹, und noch dazu ins Land des Schlammes hinab und der toten Götter. Auch traust du wohl dem Manne nicht, dem Herrn im Lande und argwöhnst, daß er uns eine Falle stellt und weder den Jüngsten noch den Bürgen wieder herausgibt oder vielleicht uns alle nicht. Aber ich sage dir, der ich die Menschen kenne und nicht viel Gutes erwarte weder von Hoch noch Niedrig: so ist der Mann nicht, und soweit habe ich ihn erkannt, daß ich weiß und lege die Hand ins Feuer dafür: uns in die Falle zu locken, das hat der Mann nicht im Sinn. Er ist wohl wunderlich und nicht geheuer, aber auch einnehmend und, wenn auch voll Irrtums, so doch ohne Falsch. Ich, Juda, bürge für ihn, wie ich für diesen bürge, deinen Sohn, unsern jüngsten Bruder. Laß ihn mit mir ziehen an meiner Seite, und ich will ihm Vater und Mutter sein, wie du es bist, unterwegs und im Lande drunten, daß sein Fuß nicht an einen Stein stoße noch die Laster Ägyptens seine Seele beflecken. Gib ihn mir in die Hand, daß wir endlich reisen und leben und nicht sterben, wir, du und unsere Kindlein! Denn von meinen Händen sollst du ihn fordern, und wenn ich ihn dir nicht wiederbringe und vor deine Augen stelle, so will ich die Schuld tragen mein Leben lang. Wie du ihn hast, so sollst du ihn haben und könntest ihn längst wieder haben, da du ihn noch hast, denn hätten wir nicht so verzogen, wir könnten schon zweimal zurück sein samt Bürgen, Zeugen und Brot!«
    »Bis zum Frührot«, antwortete Jaakob, »gebt mir Bedenkzeit!«
    Und morgens hatte er sich ergeben und bei sich eingewilligt, den Benjamin auf die Reise zu geben, die nicht nach Schekem, nur ein paar Tage weit, sondern wohl siebzehn Tage weit ins Untere führte. Er hatte rote Augen und ließ es nicht an Ausdruck dafür fehlen, wie hart der zwangvolle Entschluß seine Seele angekommen war. Da er aber wirklich so hart mit der Notwendigkeit gerungen hatte und nicht bloß so tat, sondern es nun auch würdig, leidend und groß zum Ausdruck brachte, so war es höchst eindrucksvoll für jedermann, und ergriffen sprachen die Leute: »Seht, Israel hat diese Nacht sich selbst überwunden!«
    Das Haupt zur Schulter geneigt, sagte er:
    »Muß es denn ja so sein und steht es in Erz geschrieben, daß an mir alles ausgehen soll, so nehmt und tut’s und zieht dahin, ich willige drein. Nehmt beste Dinge in euer Gepäck, für die man das Land besingt, dem Manne da zum Geschenk und zur Milderung seines Herzens: Balsamöl, Tragakanth vom Bocksdorn, Traubenhonig, den man mir dicklich eingekocht, und den er mit Wasser schlürfen oder den Nachtisch sich damit süßen möge, auch Pistaziennüsse und Terebinthenfrucht, und nennt es wenig vor ihm! Nehmt ferner doppelt Geld mit, für neue Ware und die vorige, da ich mich erinnere, daß euch das erste Mal euer Silber oben in eueren Säcken wieder geworden – es mag da ein Irrtum geschehen sein. Und nehmet Benjamin – ja, ja, ihr versteht mich recht, nehmt ihn und führt ihn hinab zu dem Mann, daß er vor ihm stehe, ich willige drein! Ich sehe, es malt sich Bestürzung in euren Zügen ob meines Entschlusses, aber er ist gefaßt, und Israel schickt sich an, zu sein wie einer, der gar seiner Kinder beraubt ist. El Shaddai aber«, brach er aus, die Hände zum Himmel erhoben, »gebe

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