Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Willst du ihnen ihre Geburt daraus weissagen?«
    »Auch dazu könnte er gut sein.«
    »Ich wollte, Adôn, er wäre mir gut zur Weissagung, und wie ein paar Stückchen Goldes und geschliffene Steine im reinen Wasser sich ausnehmen, daraus könnte ich lesen, was du gedichtet und wie du’s vorhast mit der Geschichte, daß du sie an das Wort des Dich-zu-erkennen-Gebens heranführst. Ich fürchte dir schlecht dabei dienen zu können, wenn ich’s nicht weiß; und dienen muß ich dir doch und dir behilflich sein, damit ich nicht nur so in dieser Geschichte herumstehe, in die du mich gütig hineingenommen.«
    »Das sollst du gewiß nicht, mein Haushalter. Es wäre nicht richtig. Stelle mir nur fürs Erste den Becher auf, in dem ich Spaßes halber zuweilen lese!«
    »Den Becher, wohl, wohl, den Becher«, sagte Mai-Sachme, mit Augen, als ob er sich zu erinnern suchte. »Da bringen sie dir nun den Benjamin und sollst unter den Brüdern dein Brüderchen wiedersehen. Aber wenn du mit ihnen gemahlzeitet hast und hast ihnen die Säcke gefüllt zum zweiten Mal, so nehmen sie doch den Jüngsten wieder und ziehen heim mit ihm zu eurem Vater, und du hast das Nachsehen?«
    »Lies nur besser im Becher, Mai, wie sich’s ausnimmt im Wasser! Sie ziehen wohl wieder ab, aber vielleicht haben sie etwas vergessen, daß sie noch einmal umkehren müssen?«
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf.
    »Oder sie haben etwas mit sich«, sagte Joseph, »das wir vermissen, und setzen ihnen nach um des Dinges willen und holen sie wieder?«
    Mai-Sachme sah ihn an mit runden Augen, die schwarzen Brauen darüber emporgezogen, und siehe, allmählich formte sein kleiner Mund sich zum Lächeln. Hat ein Mann einen so kleinen Mund und lächelt damit, so sieht es, möge der Mann auch noch so dicklich-untersetzter Konstitution sein, ganz aus wie ein Frauenlächeln, und so frauenhaft lächelte dieser hier bei all seiner Bartschwärze, fein und fast hold. Es mußte der Mann wohl im Becher gelesen haben, denn er nickte dem Joseph zu in verschmitztem Begreifen und der nickte gleichfalls, hob die Hand auf und klopfte dem Mai bestätigend und belobigend auf die Schulter; dieser aber, so unzulässig es war – doch schließlich war Joseph einmal Fronsträfling gewesen in seinem Gefängnis –, hob auch die Hand, dem Herrn auf die Schulter zu klopfen, und so standen sie und nickten einander zu und klopften sich wechselseitig eine ganze Weile lang, in bestem Einvernehmen über den Fortgang der Festgeschichte.
    Myrtenduft oder das Mahl mit den Brüdern
    Die ging aber so und spielte sich ab in ihren Stunden, wie folgt. Eintrafen Jaakobs Söhne in Menfe, dem Hause des Ptach und stiegen ab im vorigen Gasthof, froh, daß sie den Benjamin glücklich hergebracht, den sie während der ganzen fast siebzehntägigen Reise gehegt und gewartet und wie ein rohes Ei gehandhabt hatten, aus Angst vor Jaakobs Gefühl und auch, weil er der Allerwichtigste war, als Zeuge gefordert von dem doppeldeutigen Markthalter, und ohne welchen sie dessen Antlitz nicht sehen noch Schimeon wiederbekommen würden. Das wären Gründe genug gewesen, den Kleinen zu hüten wie ihren Augapfel, zuerst immer ihn zu versorgen mit allem Guten und ihn zu hegen wie’s liebe Wasser: die Furcht vor dem Manne hier stand im Vordergrund und dahinter die vor dem Vater. Ganz hinten aber stand stumm noch ein dritter Beweggrund für diese Beflissenheit, nämlich der, daß sie wünschten an Benjamin gut zu machen, was sie an Joseph gesündigt. Denn der Gedanke an diesen und an ihre Untat war ihnen allen nach so langer Zeit neu geweckt seit ihrer ersten Fahrt herab und dem, was sich dabei begeben; er war aus der Zeitverschüttung gestiegen, als sei es gestern gewesen, daß sie ein Glied vertilgt hatten aus Israel und ihren Bruder verkauft. Wie späte Vergeltung lag’s in der Luft, sie spürten es wie eine Hand, die sie zur Rechenschaft ziehen wollte, und daß die Hand abließe und sich die Rachegeister zerstreuten, dazu schien ihnen die eifrige Fürsorge für Rahels Anderen noch das beste Mittel.
    Einen schönen bunten Hemdrock zogen sie ihm an, mit Fransen und Überfällen, um ihn darin dem Manne, der im Lande Herr war, vorzustellen, salbten ihm seine Otternmütze von Haar mit Öl, daß sie sich nicht sträube und wahrlich ein blanker Helm daraus wurde, und verlängerten ihm die Augen mit spitzem Pinsel. Als sie aber im Großen Amt der Bewilligung und Belieferung, wo sie vorsprachen, hinausverwiesen wurden nach des Ernährers

Weitere Kostenlose Bücher