Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Das hat übergeordnete Gründe, es führt ins Kosmische und zu den Gestirnen, die zweifellos Wind und Wetter bei uns regieren. Da sind die Sonnenflecke – eine beträchtlich entlegene Ursache. Aber daß die Sonne nicht das Letzte und Höchste ist, weiß jedes Kind, und wenn schon Abram sich weigerte, sie als die Endursache anzubeten, so müßten wir uns schämen, bei ihr stehen zu bleiben. Es gibt Überordnungen im All, welche den königlichen Ruhestand der Sonne zu untergeordneter Bewegung aufheben, und die so einflußreichen Flecken in ihrem Schilde sind selbst ein Warum, von dem nicht anzunehmen ist, daß sein endgültiges Weil, bei dem sich ruhen ließe, in jenen Über-Systemen oder abermals übergeordneten liege. Das End-Weil liegt oder thront offenbar in einer Ferne, die bereits wieder Nähe ist, da in ihr Ferne und Nähe, Ursache und Wirkung Eines sind; es ist dort, wo wir uns finden, indem wir uns verlieren, und wo wir eine Planung vermuten, die um ihrer Ziele willen sich wohl auch einmal der Opfersemmeln entschlägt.
Dürre und Teuerung drückten und nicht einmal einen ganzen Umlauf dauerte es, bis Jaakob mürbe war. Die Speise, die seine Söhne erfreulichunheimlicher Weise umsonst bezogen, war aufgezehrt; sie war nicht viel gewesen unter so Viele, und neue war hierzuland auch für teures Geld nicht zu haben. Schon ein paar Monde früher denn, als voriges Jahr, leitete Israel das Gespräch ein, auf das die Brüder gewartet hatten.
»Wie dünket euch?« sagte er. »Ist es nicht also, daß ein Widerspruch klafft und eine Ungereimtheit obwaltet zwischen meinem Vermögensstande, den ich bewahrt und vermehrt, seit ich die staubigen Riegel brach von Labans Reich, – und diesem Ungemach, daß wir schon wieder des Saatkorns und Mehlgebäcks entbehren und eure Kinder nach Brot schreien?«
Ja, meinten sie, das brächten die Zeiten so mit sich.
»Es sind seltsame Zeiten«, sagte er, »wo Einer vollreife Söhne hat, eine ganze Mannschaft, und ließ es mit Gottes Hilfe nicht fehlen, sie sich zu erzeugen, sie aber sitzen auf ihren Gesäßen und rühren sich nicht, dem Mangel zu steuern.«
»Das sagst du so, Vater. Aber was soll man machen!«
»Machen? In Ägypten ist Kornmarkt, wie ich von mehreren Seiten höre. Wie wäre es, wenn ihr euch die Reise zumutetet und führet hinab, uns ein wenig Speise zu kaufen?«
»Das wäre schon recht, Vater, wir zögen schon. Aber du läßt außer acht, was uns der Mann da unten hart eingebunden hat wegen Benjamins: daß wir sein Angesicht nicht sehen sollten, ohne, es wäre denn unser Bruder mit uns, der Jüngste, den wir nicht aufweisen konnten zum Zeichen unsrer Wahrhaftigkeit. Der Mann ist ein Sterngelehrter, dem Anschein nach. Er sagte, von den Zwölfen sei eines hinter der Sonne verborgen, aber nicht zweie seien’s auf einmal, und der Elfte müsse vor ihn gestellt sein, eh’ er uns nur wieder ansehe. Gib uns Benjamin mit, und wir reisen.«
Jaakob seufzte.
»Ich wußte«, sagte er, »daß das kommen werde, und daß ihr mich nun wiederquälen würdet des Kindes wegen.«
Und laut schalt er sie:
»Unselige! Unbedachte! Mußtet ihr auch schwatzen und trätschen vor dem Mann und eure Bewandtnisse leichtfertig auskramen, daß er nun weiß, ihr habt noch einen Bruder, meinen Sohn, und mochte nach ihm verlangen? Wärt ihr würdig beim Handelsgeschäft geblieben, ohne Geträtsch, so wüßte er garnichts von Benjamin und könnte nicht mein Herzblut zum Preise setzen für Semmelmehl! Ihr verdientet, daß ich euch alle verfluchte!«
»Tu das nicht, Herr«, sprach Juda, »denn was würde aus Israel? Sondern bedenke, in welcher Not wir waren und wie genötigt, ihm reinen Wein einzuschenken, da er uns zusetzte mit seinem Verdacht und uns nach unsrer Freundschaft verhörte! Denn er verhörte uns so genau und wollte wissen: ›Lebt euer Vater noch?‹ – ›Habt ihr noch einen Bruder?‹ – ›Geht es eurem Vater wohl?‹ Und da wir ihm sagten, es gehe dir nicht so wohl, wie dir’s gebührte, schalt er uns laut und zürnte, daß wir’s dahin hätten kommen lassen.«
»Hm«, machte Jaakob und strich sich den Bart.
»Geängstigt waren wir«, fuhr Juda fort, »von seiner Strenge und eingenommen von seiner Teilnahme. Denn es ist doch nicht wenig, wenn einem solche erwiesen wird, so angelegentlich, von einem Großen der Welt, von dem man abhängig ist für den Augenblick. Das öffnet wohl dem Menschen das Herz und macht mitteilsam, wenn auch nicht trätschig.« Und wie hätten sie
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