Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
nicht von uns absondern kannst und darfst und ihn nicht behalten. Demnächst dann, daß wir anderen nicht und insbesondere ich nicht, Juda, von diesen der Vierte – daß wir unmöglich und nimmermehr zu unserem Vater heimkehren können ohne den Jüngsten, nimmermehr. Drittens aber will ich meinem Herrn ein Angebot machen und will dir vorschlagen, wie du zu deinem Rechte kommst auf eine mögliche Art und nicht auf eine unmögliche. Dies meiner Rede Ordnung. Darum laß deinen Zorn nicht ergrimmen über deinen Knecht, und falle ihm, bitte, nicht in die Rede, die ich führe, wie der Geist sie mir eingibt und die Schuld. Du bist wie Pharao. Ich aber beginne, wie es begonnen hat und wie du’s begannest, denn es war so:
Als wir hernieder kamen, von unserem Vater gesandt, daß wir Speise erwürben aus dieser Speisekammer, wie tausend andere, ging es uns nicht wie den tausend, sondern abgesondert wurden wir und hatten’s sonderlich und wurden geleitet in deine Stadt herab vor das Angesicht meines Herrn. Und da blieb’s sonderlich, denn sonderlich war auch mein Herr, nämlich harsch und huldig, das ist: doppeldeutig und befragte uns eigentümlich nach unsrer Freundschaft. ›Habt ihr auch etwa noch‹, fragte mein Herr, ›einen Vater daheim oder einen Bruder?‹ – ›Wir haben‹, antworteten wir, ›einen Vater, der ist alt, und haben allerdings auch einen jungen Bruder, den Jüngsten, ihm spät geboren, den hütet er mit dem Stabe und hält ihn fest an der Hand, denn sein Bruder kam abhanden für tot und ist unserm Vater von ihrer Mutter nur jener übrig, darum hält er innigst auf ihn.‹ – Antwortete mein Herr: ›Bringt ihn herab zu mir! Es soll ihm kein Haar gekrümmt sein.‹ – ›Das kann nicht geschehen‹, antworteten wir, ›aus den obigen Gründen. Den Jüngsten vom Vater reißen, das wäre tödlich.‹ – Versetztest du harsch deinen Knechten: ›Beim Leben Pharao’s! Wo ihr nicht mit eurem Jüngsten kommt, der von der lieblichen Mutter übrig, so sollt ihr mein Angesicht nicht mehr sehen.‹«
Und Juda fuhr fort und sprach:
»Ich frage meinen Herrn, ob es so war und begann, oder ob es nicht so war und anders begann, als daß mein Herr nach dem Knaben fragte und wider unsere Verwahrung auf seinem Kommen bestand. Denn meinem Herrn beliebte, es so hinzustellen, als ob wir uns reinigen sollten durch seine Beibringung von dem Verdachte der Späherei und sollten dadurch erhärten, daß wir mit Wahrheit umgehen. Aber was für eine Reinigung ist das und was für ein Verdacht? Uns kann kein Mensch für Spähbuben halten, so sehen wir Brüder in Jaakob nicht aus, und glaubt’s einer dennoch, so ist’s keine Reinigung, daß wir den Jüngsten erstellen, sondern ist pure Eigentümlichkeit und ist allein, weil nun einmal mein Herr unbedingt unseren Bruder wollte mit Augen sehen – warum? Darüber muß ich verstummen, es steht bei Gott.«
Und Jehuda ging weiter vor in seiner Rede, regte das Löwenhaupt, streckte die Hand aus und sprach:
»Siehe, an den Gott seiner Väter glaubt dieser dein Kecht, und daß alles Wissen bei ihm ist. Was er aber nicht glaubt, das ist, daß dieser Gott Schätze einschwärzt in seiner Knechte Ranzen, dergestalt, daß sie ihr Kaufgeld haben zusamt der Ware, – das ist nie dagewesen und besteht gar kein Herkommen in diesem Betracht: weder Abram, noch Isaak, noch unser Vater Jaakob haben je Gottessilber im Sacke gefunden, das der Herr ihnen zugesteckt, – was es nicht gibt, das gibt es nicht, sondern ist alles bloß Eigentümlichkeit und kommt allzumal aus demselben Geheimnis.
Kannst du nun aber, mein Herr, – kannst du, da wir’s beim Vater erwirkt mit Hilfe der Hungersnot, und von ihm den Kleinen entliehen für diese Reise, – kannst du, der du sein Kommen unerbittlich erzwungen und ohne dessen sonderliches Verlangen er nie den Fuß gesetzt hätte auf dieses Land, – kannst du, der da sprach: ›Ihm soll kein Leids geschehen hier unten‹, – kannst du ihn einbehalten als Sklaven, weil sie deinen Becher in seinem Ranzen gefunden?
Das kannst du nicht!
Wir aber unsrerseits und dein Knecht zumal, Juda, der diese Rede hält, wir können nicht vor unseres Vaters Angesicht treten ohne den Kleinsten – nie und nimmermehr. Wir können es sowenig, wie wir hätten vor dein Angesicht wieder kommen können ohne ihn – und nicht aus Gründen der Eigentümlichkeit, sondern aus den gewaltigsten Gründen. Denn als dein Knecht, unser Vater, uns wieder gemahnte und sprach: ›Ziehet
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