Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
ägyptisch ist, gehe hinaus von hier«, sagte er, »alles hinaus. Denn ich habe Gott und die Welt zu Gaste geladen bei diesem Spiel, nun aber soll nur noch Gott allein Zuschauer dabei sein.«
Ungern gehorchte man. Den Schreibern auf der Estrade legte Mai-Sachme, indem er sie mit Zwinkern bedeutete, seine Hände auf die Rücken und half ihnen höflich davon, und auch das Hausgesinde räumte die Türen. Aber das redeten wir wohl niemandem ein, daß es sich sehr weit davon entfernt hätte. Vielmehr stand draußen und drinnen im Büchergemach jedermann seitlich auf ein Bein gelehnt, dem Schauplatze zugeneigt und hielt die hohle Hand hinters Ohr.
Dort aber breitete Joseph, ohne des Geschmeides auf seinen Backen zu achten, die Arme aus und gab sich zu erkennen. Er hatte sich oft zu erkennen gegeben und die Leute stutzen gemacht, indem er zu verstehen gab, daß ein Höheres sich in ihm darstellte, als was er war, sodaß dies Höhere träumerisch-verführerisch ineinanderlief mit seiner Person. Jetzt sagte er einfach und trotz der gebreiteten Arme sogar mit einem kleinen bescheidenen Lachen:
»Kinder, ich bin’s ja. Ich bin ja euer Bruder Joseph.«
»Aber er ist’s ja natürlich doch!« schrie Benjamin, fast erstickt vom Jubel und stürzte vorwärts, die Stufen hinan zur Erhöhung, fiel auf seine Knie und umfing mit Ungestüm die Knie des Wiedergefundenen.
»Jaschup, Joseph-el, Jehosiph!« schluchzte er zu ihm hinauf, den Kopf im Nacken. »Du bist’s, du bist’s, aber selbstverständlich bist du’s natürlich ja doch! Du bist nicht tot, umgestürzt hast du die große Wohnung des Todesschattens, aufgefahren bist du zum siebenten Söller und bist eingesetzt als Metatron und Innerer Fürst, ich hab’s gewußt, ich hab’s gewußt, hoch erhoben bist du, und der Herr hat dir einen Stuhl gemacht, ähnlich dem Seinen! Mich aber kennst du noch, deiner Mutter Sohn, und hast im Winde gewedelt mit meiner Hand!«
»Kleiner«, sprach Joseph. »Kleiner«, sagte er, hob Benjamin auf und tat ihre Köpfe zusammen. »Rede nicht, es ist nicht so groß und nicht so weit her, und kein solcher Ruhm ist es mit mir, und die Hauptsache ist, daß wir wieder zwölfe sind.«
Zanket nicht!
Und er schlang den Arm um seine Schulter und trat hinab mit ihm zu den Brüdern – ja, wie stand es mit denen und wie standen die da! Einige standen, die Beine gespreizt, mit hängenden Armen, die viel länger schienen, als sonst, knielang beinahe und suchten offenen Mundes mit den Augen im Leeren herum. Andere preßten die Brust mit beiden Fäusten, – die wuchteten auf und ab von ihrem gehenden Atem. Alle waren sie bleich gewesen von Juda’s Bekenntnis, nun waren sie dunkelrot im Gesicht, rot wie Kiefernstämme, rot wie einst, als sie auf ihren Fersen gesessen hatten und Joseph dahergekommen war im bunten Kleid. Hätte Benoni nicht mit seinem »Natürlich doch« und all seinem Entzücken des Mannes Erklärung besiegelt, so hätten sie überhaupt nichts begriffen und nichts geglaubt. Wie nun aber die Rahelssöhne umschlungen zu ihnen herunterkamen, war ihren armen Köpfen aufgegeben, aus einer bloßen Assoziation eine Einerleiheit zu machen und in dem Mann, der freilich in ihrem Sinn längst irgendetwas mit Joseph zu tun gehabt hatte, den abgeschafften Bruder selbst zu erkennen, – was Wunder, daß es in ihren Hirnen nur so knackte? Kaum schien es den Hampelnden und Strampelnden gelungen, den Herrn hier und ihr Opfer, den Knaben, in eins zu denken, so ging das Geeinte schon wieder entzwei, – nicht nur, weil es so schwer hielt, es zusammenzuhalten, sondern schwer hielt es, weil es so äußerst beschämend und auch entsetzenerregend war.
»Tretet doch her zu mir«, sagte Joseph, während er selber zu ihnen trat. »Ja, ja, ich bin’s. Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt, – macht euch nichts draus, es war schon recht. Sagt, lebt mein Vater noch? Redet mir doch ein bißchen und bekümmert euch nicht! Juda, das war eine gewaltige Rede! Die hast du für immer und ewig gehalten. Innig umarm’ ich dich zur Beglückwünschung wie auch zum Willkomm und küsse dein Löwenhaupt. Siehe, es ist der Kuß, den du mir gabst vor den Minäern, – heute geb’ ich ihn dir wieder, mein Bruder, und ist nun ausgelöscht. Alle küss’ ich in Einem, denn denkt doch nur nicht, daß ich darum zürne, daß ihr mich hierher verkauftet! Das mußte alles so sein, und Gott hat’s getan, nicht ihr, El Shaddai hat mich abgesondert schon
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