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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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frühzeitig vom Vaterhaus und mich verfremdet nach seinem Plan. Er hat mich vor euch hergesandt, euch zum Ernährer, – und hat eine schöne Errettung veranstaltet, daß ich Israel speise mitsamt den Fremden in Hungersnot. Das ist eine zwar leiblich wichtige, aber ganz einfache, praktische Sache und ist weiter kein Hosiannah dabei. Denn euer Bruder ist kein Gottesheld und kein Bote geistlichen Heils, sondern ist nur ein Volkswirt, und daß sich eure Garben neigten vor meiner im Traum, wovon ich euch schwatzte, und sich die Sterne verbeugten, das wollte so übertrieben Großes nicht heißen, sondern nur, daß Vater und Brüder mir Dank wissen würden für leibliche Wohltat. Denn für Brot sagt man ›Recht schönen Dank‹ und nicht ›Hosiannah‹. Muß aber freilich sein, das Brot. Brot kommt zuerst und dann das Hosiannah. – Nun habt ihr verstanden, wie einfach der Herr es meinte, und wollt ihr nicht glauben, daß ich noch lebe? Ihr wißt es doch selbst, daß mich die Grube nicht hielt, sondern daß die Kinder Ismaels mich herauszogen, und daß ihr mich ihnen verkauftet. Hebt nur die Hände auf und faßt mich an, daß ihr seht, ich lebe als euer Bruder Joseph!«
    Zwei oder drei von ihnen rührten ihn auch wirklich an, strichen mit der Hand behutsam an seinem Kleide herunter und grienten zaghaft dazu.
    »Dann war’s also nur ein Scherz und hast nur so getan, wie ein Fürst«, fragte Issakhar, »bist aber eigentlich bloß unser Bruder Joseph?«
    »Bloß?« antwortete er. »Das ist ja wohl das Meiste, was ich bin! Aber ihr müßt es recht verstehen: ich bin beides; ich bin Joseph, den der Herr Pharao zum Vater gesetzt hat und zu einem Fürsten in ganz Ägyptenland. Joseph bin ich, überkleidet mit der Herrlichkeit dieser Welt.«
    »Freilich«, sagte Sebulun, »so wird es ja denn wohl sein, daß man nicht sagen kann, du bist nur das eine und nicht das andere, sondern bist beides in einem. Es ahnte uns auch. Und ist ja nur gut, daß du nicht durch und durch der Markthalter bist, sonst ginge es uns schlecht. Sondern bist unter dem Kleid unser Bruder Joseph, der uns beschützen wird gegen des Markthalters Zorn. Aber du mußt verstehen, Herr –«
    »Willst du das, dummer Mann, wohl sein lassen, mit ›Herr, Herr‹? Damit hat’s nun ein Ende!«
    »Du mußt verstehen, daß wir auch wieder beim Markthalter Schutz suchen möchten vor dem Bruder, denn vor Zeiten haben wir übel an ihm getan.«
    »Das habt ihr!« sprach Ruben und zog grimmig die Muskeln seines Gesichtes an. »Es ist unerhört, Jehosiph, was ich erfahren muß bei dieser Gelegenheit. Denn sie haben dich verkauft hinter meinem Rücken und mir nichts davon angezeigt und hab’s nicht gewußt all die Zeit her, daß sie dich losgeschlagen und Kaufgeld für dich genommen ...«
    »Laß gut sein, Ruben«, sprach Dan, von Bilha. »Du hast auch dies und das getan hinter unserem Rücken und warst hinterrücks bei der Grube, daß du den Knaben stählest. Und was das Kaufgeld betrifft, so war es kein Reichtum damit, wie Gnaden Joseph sehr wohl weiß, zwanzig Schekel phönizisch, das war alles, dank des Alten Zähigkeit, und wir können jederzeit darüber abrechnen, daß du zu dem Deinen kommst.«
    »Zanket nicht, Männer!« sagte Joseph. »Zanket euch nicht deswegen und darum, was der Eine getan und der Andre nicht wußte. Denn Gott hat es alles recht gemacht. Dir dank’ ich, Ruben, mein großer Bruder, daß du zur Höhle kamst mit deinem Gestrick, um mich herauszuziehen und mich dem Vater wiederzugeben. Ich aber war nicht mehr da, und das war gut, denn so sollt’ es nicht sein und wäre nicht richtig gewesen. Nun aber ist’s recht. Nun wollen wir alle an nichts als den Vater denken ...«
    »Ja, ja«, nickte Naphtali, ließ plappernd die Zunge laufen und zuckte mit seinen Beinen. »So ist’s, so ist’s, unser Bruder sagt es ganz recht, der Erhöhte, denn völlig unleidlich ist so ein Zustand, daß Jaakob ferne sitzt im härenen Hause, oder davor, und nicht die leiseste Ahnung hat von dem, was hier aufgekommen, nämlich daß Joseph lebt und hat’s hoch hinausgebracht in der Welt und nimmt einen schimmernden Posten ein bei den Heiden. Denkt euch, da sitzt er, gehüllt in Ungewißheit, da wir hier stehen und reden mündlich mit dem Entschwundenen und fassen sein Kleid an, daß wir’s mit Händen greifen: alles war Mißverständnis und falsche Kunde, – nichtig des Vaters hochgradiger Jammer und nichtig der Wurm, der uns wurmte all unser Leben lang. Das ist so

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