Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
aufregend, daß man mit dem Kopf durch die Decke möchte, und ist eine unausstehliche Schiefigkeit in der Welt, daß wir es wissen dahier, er aber nicht, nur, weil es weit ist von uns zu ihm und eine Masse stumpfen Gebreites sein Wissen von unserm trennt, darin die Wahrheit nur ein paar Schritt weit vorankommt, dann bleibt sie liegen und kann nicht mehr. O, könnte man die hohlen Hände legen an seinen Mund und siebzehn Tage weit rufen: ›Vater, hoheh! Joseph lebt und ist wie Pharao in Ägyptenland, das ist das Neueste!‹ Aber schriee man noch so laut, unberührt sitzt er und hört es nicht. O, daß man eine Taube könnte auffliegen lassen, deren Flügel die Schnelle des Blitzes hätten, mit einer Schrift unterm Flügel: ›Wisse, so steht’s‹, daß die Schiefigkeit aus der Welt wäre, und jeder dasselbe wüßte dort und hier! Nein, ich steh’ hier nicht länger, ich steh’ es nicht aus. Schickt mich, schickt mich! Ich will’s besorgen. Laufen will ich dem Hirschen zum Trotz und ihm schöne Rede geben. Denn könnte eine Rede wohl schöner sein als die, die das Neueste bringt?«
Joseph aber begütigte seinen Eifer und sprach:
»Laß gut sein, Naphtali, und überstürze dich nicht, denn du sollst nicht allein laufen und soll keiner ein Vorrecht haben, unserem Vater anzusagen, was ich ihm sagen lasse und was ich längst ausgedacht, wenn ich nachts auf dem Rücken lag und diese Geschichte besann. Sieben Tage sollt ihr rasten bei mir und all meine Ehren teilen und will euch vor meine Hausfrau stellen, die Sonnenmagd, und meine Söhne sollen sich vor euch neigen. Dann aber sollt ihr eure Tiere beladen und sämtlich hinaufziehen mit Benjamin zu meinem Vater und ihm verkünden: Joseph, dein Sohn, ist nicht tot, sondern lebt und spricht lebenden Mundes zu dir: ›Gott gab mir den Vorrang unter den Fremden, und mir ist untertänig Volks, das ich nicht kannte. Komm herab zu mir, säume nicht und erschrick, Lieber, nicht vorm Lande der Gräber, wohin schon Abraham kam in Hungersnot! Denn die Teuerung und daß kein Pflügen und Ernten ist in der Welt seit zwei Jahren schon, das wird bestimmt noch drei oder fünf Jahre währen, ich aber will dich versorgen und sollst hier auf fetten Triften siedeln. Fragst du, ob Pharao es erlaubt, so antworte ich dir: den wickelt dein Sohn um den Finger. Und will Seine Majestät ersuchen, daß ihr in der Gegend Gosen siedeln sollt und auf den Feldern von Zoan, gegen Arabia, da will ich euch versorgen, dich und deine Kinder und Kindeskinder, dein klein Vieh und groß Vieh und alles, was dein ist. Denn die Gegend Gosen, auch Gosem genannt, oder Goschen, die hab’ ich schon frühe erwählt für euch zum Nachkommenlassen, weil sie noch nicht recht Ägyptenland ist, noch nicht so ausgeprägt, und könnt dort leben von den Fischen der Mündung und vom Fett des Feldes, hübsch für euch, daß ihr nicht viel zu schaffen habt mit den Kindern Ägyptens und ihrer Altklugheit und eure Originalität nicht leide. Und seid doch nahe bei mir.‹ – So sollt ihr zu meinem Vater sprechen in meinem Namen und es gescheit und geschickt machen, Männer, daß ihr’s seinem starren Alter sänftiglich beibringt, zuerst, daß ich lebe und dann, daß er herniederkommen soll mit euch allen. Ach, könnt’ ich nur selber mit euch hinaufziehen und es ihm abschwatzen, da ging’ ich sicher. Aber ich kann nicht, nicht einen Tag bin ich abkömmlich. Darum macht’s fein und liebeslistig an meiner Statt mit meinem Leben und seinem Kommen! Sagt ihm nicht gleich: ›Joseph lebt‹, sondern fragt erst: ›Wie wär es wohl, und wie würde unserm Herrn gegebenen Falls zu Mute, wenn Joseph noch lebte?‹ Damit er es erst probiere. Und sagt ihm nicht geradezu: ›Im Unteren sollst du siedeln, bei den Gottesleichen‹, sondern umschreibt es und sagt: ›In der Gegend Gosen.‹ Wollt ihr’s so liebesschlau machen auch ohne mich? Ich bind’ es euch dieser Tage noch besser ein. Nun will ich euch mit meiner Frau, dem Sonnenmädchen, bekannt machen und euch meine Buben zeigen, Manasse und Ephraim. Und wollen essen und trinken zu zwölfen und fröhlich sein und alter Zeiten gedenken, doch nicht zu genau. Daß ich’s aber nicht vergesse: Wenn ihr hinaufkommt zum Vater, so kündet ihm alles, was ihr gesehen habt, und geizt nicht mit Schilderungen von meiner Pracht hier unten! Denn seinem Herzen ist übel mitgespielt worden, – nun soll ihm aufgespielt sein die süße Musik von seines Sohnes Herrlichkeit.«
Pharao schreibt an
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