Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Joseph
Nichts wäre bedauerlicher, als wenn nach diesen Ereignissen die Menge der Zuhörer anfinge auseinanderzulaufen und sich von hier zu zerstreuen, denkend: »Das war’s denn, das schöne ›Ich bin’s‹ ist gesprochen, und schöner kann’s nicht mehr kommen, es war der Höhepunkt und nun spielt sich’s nur noch zu Ende, wir wissen eh’ schon, wie, und ist nicht mehr aufregend.« – Nehmt guten Rat an und bleibt hübsch beisammen! Der Verfasser dieser Geschichte, unter welchem wir den zu begreifen haben, der alles Geschehen verfaßt, hat ihr viele Höhepunkte verliehen und hat es heraus, wie man einen überhöht durch den anderen. Bei ihm heißt’s immer: Das Beste kommt noch, und immer stellt er etwas in Aussicht, sich darauf zu freuen. Wie Joseph erfuhr, sein Vater sei noch am Leben, das war wohl reizend; wenn aber Jaakob, dem Kummerstarren, das Frühlingslied aufgespielt wird von seines Sohnes Leben, und wenn er hinabfährt, ihn zu umarmen – das wird wohl keineswegs aufregend sein? Wer jetzt nach Hause geht, der möge nachher die anderen fragen, die zu Ende hörten, ob es aufregend war oder nicht. Dann mag die Reue ihn ankommen, und all seiner Lebtage wird er sich im Nachteil fühlen, weil er nicht dabei war, als Jaakob die ägyptischen Enkel kreuzweis segnete, und als der Feierliche seine Sterbestunde beging. »Wir wissen’s eh’ schon!« Das ist ganz töricht gesprochen. Die Geschichte kennen kann jeder. Dabei gewesen zu sein, das ist’s. – Aber es scheint, die Einschärfung war unnötig, denn keiner rührt sich vom Fleck.
Als denn nun Joseph so mit den Elfen geredet hatte und sie mit ihm und miteinander hinausgingen von da, wo er sich zu erkennen gegeben, hinüber zu Asnath, dem Mädchen, seinem Weibe, daß sie sich vor dieser neigten und ihre Neffen sähen mit der ägyptischen Kinderlocke, da herrschte ein heiterer Tumult und freudiges Lachen im ganzen Gnadenhause; denn alles Gesinde hatte gehorcht, und Joseph brauchte nichts anzuzeigen und keine Erklärung ergehen zu lassen, denn alle wußten es gleich und riefen es lachend einander zu, daß des Ernährers Brüder gekommen seien und seines Vaters Söhne sich eingefunden hätten aus Zahi-Land, was für sie alle ein Riesenspaß war, besonders, da sie mit Sicherheit auf Bier und Kuchen rechnen konnten zur Feier dieses Ereignisses. Die Schreiber aber vom Haus der Ernährung und Gewährung, die auch gehorcht hatten, verkündeten es in der Stadt, und es hätte Naphtali, den Geläufigen, trösten mögen, wie dieses Neueste, einem Lauffeuer gleich, durch ganz Menfe lief und so alle rasch auf gleichen Fuß des Wissens kamen, – des lachenden Wissens, die Brüderschar des Alleinigen sei bei ihm eingetroffen, sodaß es viele Freudensprünge gab auf den Straßen und eine Menge vor Josephs Haus in der kostbaren Vorstadt rückte, unter Vivat-Rufen verlangend, ihn im Kreis seiner asiatischen Sippschaft zu sehen, was ihr denn auch schließlich gewährt wurde: die Zwölfe zeigten sich den Begierigen auf der Terrasse, und nur für uns ist’s ein Jammer, daß Menfe’s Leute auf ihrer Augen Linsen allein angewiesen waren und nicht mit dem Lichte umzuspringen wußten, wie wir, sodaß die Gruppe nicht konnte im Bilde festgehalten werden. Jene aber litten darunter nicht und vermißten es nicht, weil eben einfach garnicht daran zu denken war.
Auch blieb die reizvolle Neuigkeit nicht lange in die Mauern der Grabes-Großstadt eingeschlossen, sondern flog darüber hinweg wie eine Taube ins Land hinaus, und vor allem kam das Geschrei davon schnellstens vor Pharao, der mit seinem ganzen Hofe sehr davon unterhalten war. Pharao, der nun Ech-n-Atôn hieß – denn seinem Vorsatz gemäß hatte er den drückenden Amun-Namen abgelegt und jenen dafür angenommen, der den Namen seines Vaters im Himmel trug, – Pharao war schon seit Jahr und Tag der Residenz seines Lieblingsministers näher gerückt, da er die seine von Theben, dem Hause des Amun-Rê, wegverlegt hatte, weiter nördlich hinab, an eine Stätte des oberägyptischen »Hasengaues«, die er nach längerer Ausschau zum Bau einer neuen, ganz der geliebten Gottheit geweihten Stadt für tauglich befunden. Der Ort war ein wenig südlich von Chmunu, dem Hause des Thot, an einer Stelle, wo eine kleine Insel, die nach Errichtung zierlicher Lust-Pavillons auf ihrem Grunde geradezu schrie, dem Strome entstieg und die Felsen von dessen Ost-Ufer im Bogen zurücktraten, Raum bietend für die Anlage von Tempeln, Palästen
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