Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
sah ein, daß ein Vorhaben, das er ihnen einst mit überwältigender Feierlichkeit hatte verweisen mögen, jetzt in den Umständen starke Stützen fand. Wußte er ihnen, vorsichtig gefragt, insgeheim sogar ein wenig Dank dafür, daß sie ihn in ihre Pläne nicht einweihten und ihn reinhielten davon, so daß er, wenn er wollte, nichts davon zu wissen oder auch nur zu ahnen brauchte und geschehen lassen konnte, was nun einmal geschehen sollte? Hatte nicht Gott, der König, zu Beth-el in die Harfen gerufen, er, Jaakob, werde Tore besitzen, die Tore seiner Feinde, und hieß das vielleicht, daß, seiner persönlichen Friedensliebe ungeachtet, Eroberung, Kriegstat und Beuterausch dennoch zur Sternenvorschrift seines Lebens gehörten? – Er schlief nicht mehr vor Grauen, Sorge und allerheimlichstem Stolz auf die listige Männlichkeit seiner Sprößlinge. Er schlief auch nicht in der Schreckensnacht, der dritten nach Ablauf der Frist, da er im Zelte lag, in seinen Mantel gehüllt, und mit schreckhaftem Ohr um sich her den gedämpften Lärm bewaffneten Aufbruchs vernahm ...
    Das Gemetzel
    Wir sind am Ende unserer wahrheitsgetreuen Darstellung des Zwischenspieles von Schekem, das später so viel Anlaß zu Sang und beschönigender Sage gab, – beschönigend im Sinne Israels, was die Reihenfolge der Geschehnisse betraf, die zum Äußersten führten, wenn auch nicht in betreff dieses Äußersten selbst, an dem es nichts zu beschönigen gab und auf dessen Einzel-Entsetzlichkeit man im Schönen Gespräch sogar mit Prangen und Prahlen bestand. Dank ihrer lästerlichen List hatten die Jaakobsleute, an Zahl den Städtern weit unterlegen, denn sie kamen nur etwa zu fünfzig Mann, mit Schekem leichtes Spiel: sowohl bei Bewältigung der Mauer, die von Wachen fast entblößt war und die sie, noch schweigsam, mit Strick- und Sturmleitern erstiegen, als auch bei dem Tanz, den sie danach, mit plötzlichem Ausbruch alle Heimlichkeit von sich werfend, im Inneren anstellten und zu dem die völlig überrumpelten Einwohner so wenig aufgelegt und behende waren. Was Mannesnamen trug zu Schekem, alt und jung, fieberte, litt und »band seine Wunde auf und zu«, den größeren Teil der militärischen Besatzung nicht ausgenommen. Die Ibrim dagegen, gesund am Leibe und moralisch einheitlich entflammt durch die Losung »Dina!«, die sie bei ihrem blutigen Werk beständig ausstießen, wüteten wie Löwen, schienen überall zu sein und trugen von Anfang an in die Seelen der Städter die Vorstellung unabwendbar hereinbrechender Heimsuchung, so daß sie fast auf keinen Widerstand stießen. Namentlich Schimeon und Levi, die Anführer des Ganzen, erregten durch ihr Geschrei, ein studiertes und die innersten Organe erschütterndes Stiergebrüll, jenen Gottesschrecken, der seine Opfer allenfalls in wildem Reißaus, nie und nimmer aber im Kampf ein Mittel erblicken ließ, dem Tode zu entgehen. Man rief: »Wehe! Nicht Menschen sind das! In unserer Mitte ist Sutech! Der ruhmreiche Baal ist in allen ihren Gliedern!« Und auf nackter Flucht wurde man mit der Keule erschlagen. Mit Feuer und Schwert, wörtlich verstanden, arbeiteten die Ebräer, Stadt, Burg und Tempel qualmten, Gassen und Häuser schwammen in Blut. Nur junge Leute von körperlichem Wert wurden zu Gefangenen gemacht, die übrigen erwürgt, und wenn es dabei über das bloße Töten hinaus grausam zuging, so ist den Würgern zugutezuhalten, daß sie bei ihrem Tun nicht minder in poetischen Vorstellungen befangen waren als jene Unglücklichen; denn sie erblickten darin einen Drachenkampf, den Sieg Mardugs über Tiâmat, den Chaoswurm, und damit hingen die vielen Verstümmelungen zusammen, das Abschneiden »vorzuweisender« Glieder, worin sie sich beim Morden mythisch ergingen. So steckte am Ende des Strafgerichts, das kaum zwei Stunden dauerte, Sichem, der Burgsohn, schändlich zugerichtet, kopfüber in dem Latrinenrohr seines Badezimmers, und auch Weser-ke-bastets Leichnam, der mit zerfetztem Blumenkragen irgendwo auf der Gasse in seinem Blute lag, war in hohem Grade unvollständig, was unter dem Gesichtspunkt seines angestammten Glaubens besonders schwer ins Gewicht fiel. Was Hemor, den Alten, betraf, so war er einfach vor Schreck gestorben. Dina, der nichtigunschuldige Anlaß so vielen Elends, befand sich in den Händen der Ihren.
    Das Plündern währte noch lange. Der Brüder alter Wunschtraum erfüllte sich: sie durften ihr Herz am Raube laben, glänzende Beute, sehr nennenswerter städtischer

Weitere Kostenlose Bücher