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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Reichtum fiel in die Hände der Sieger, also daß ihre Heimkehr am Ende der letzten Nachtwache, mit den gemachten Gefangenen, die an Stricken getrieben wurden, mit dem Hochgepäck an goldenen Opferschalen und Krügen, an Säcken mit Ringen, Reifen, Gürteln, Schnallen und Halsketten, an zierlichem Hausgerät aus Silber, Elektron, Fayence, Alabaster, Kornalin und Elfenbein, zu schweigen von dem Fange an Feldfrüchten und Vorräten, Flachs, Öl, Feinmehl und Wein, sich zum schleppenden Triumphe gestaltete. Jaakob verließ sein Zelt nicht bei ihrer Ankunft. Nachts hatte er seine Unruhe lange damit beschäftigt, unter den heiligen Bäumen beim Lager dem bildlosen Gotte ein Sühneopfer darzubringen, das Blut eines Milchlammes auf den Stein rinnen zu lassen und das Fett mit Duftdrogen und Gewürzen zu verbrennen. Jetzt, da die Söhne, gebläht und glühend, mit der so gräßlich zurückgeholten Dina bei ihm eintraten, lag er verhüllt auf dem Angesicht und war lange nicht zu bewegen, die Unglückselige oder gar jene Wütriche auch nur anzusehen. »Hinweg!« winkte er. »Toren! ... Vermaledeite!« Sie standen trotzig, mit aufgeblasenen Lippen. »Sollten wir«, fragte einer, »mit unserer Schwester verfahren lassen als mit einer Hure? Siehe, wir haben unser Herz gewaschen. Hier ist Lea’s Kind. Es ist siebenundsiebzigmal gerochen.« Und da er schwieg und sich nicht enthüllte: »Unser Herr möge die Güter ansehen, die draußen sind. Viele kommen noch außerdem, denn wir haben etliche zurückgelassen, daß sie die Herden einsammeln der Städter auf dem Felde und sie herführen zu den Zelten Israels.« Er sprang auf und hob die geballten Hände über sie, daß sie zurückwichen. »Verflucht sei euer Zorn«, rief er aus aller Kraft, »daß er so heftig ist, und euer Grimm, daß er so störrig ist! Unselige, was habt ihr mir zugerichtet, daß ich stinke vor des Landes Einwohnern wie ein Aas unter Fliegen? Wenn sie sich nun versammeln über uns zur Rache, was dann? Wir sind ein geringer Haufe. Sie werden uns schlagen und vertilgen, mich und mein Haus samt Abrahams Segen, den ihr solltet weitertragen in die Zeitläufte, und wird zerbrochen sein das Gegründete! Blödsichtige! Sie gehen dahin und würgen die Wunden und machen uns schwer für den Augenblick und sind zu arm im Kopfe, um zu gedenken der Zukunft, des Bundes und der Verheißung!«
    Sie bliesen nur alle die Lippen auf. Sie wußten nichts, als zu wiederholen: »Sollten wir denn mit unserer Schwester als mit einer Hure handeln?« – »Ja!« rief er außer sich, so daß sie sich entsetzten. »Eher so, denn daß das Leben gefährdet werde und die Verheißung! Bist du schwanger?« fuhr er Dina an, die vernichtet am Boden kauerte ... »Wie kann ich's schon wissen«, heulte sie. – »Das Kind soll nicht leben«, entschied er, und sie heulte wieder. Er bestimmte ruhiger: »Israel bricht auf mit allem, was sein ist, und ziehet fort mit den Gütern und Herden, die ihr mit dem Schwerte nahmet für Dina. Denn es ist seines Bleibens nicht an der Stätte dieser Greuel. Ich habe ein Gesicht gehabt zur Nacht, und der Herr sprach zu mir im Traum: ›Mache dich auf und zeuch gen Beth-el!‹ Hinweg! Es wird aufgepackt.«
    Gesicht und Befehl waren ihm wirklich geworden, nämlich als er nach dem nächtlichen Opfer, während die Söhne die Stadt plünderten, auf seinem Lager in Halbschlaf gefallen war. Es war ein vernünftiges Gesicht und kam ihm vom Herzen; denn die Asylstätte Luz, die er so wohl kannte, besaß große Anziehungskraft für ihn unter solchen Umständen, und zog er dorthin, so war es, als flüchte er sich zu den Füßen Gottes, des Königs. Flüchtlinge Schekems, der Bluthochzeit entkommen, waren ja nach verschiedenen Richtungen hin unterwegs in die umliegenden Städte, um zu verkünden, was mit der ihren geschehen, und um diese Zeit war es denn auch, daß gewisse Briefe, ausgefertigt von einzelnen Häuptern und Hirten der Städte Kanaans und Emors, hinabgelangten zur Amunsstadt und dem Hor im Palaste, Amenhoteps des Dritten heiliger Majestät, leider vorgelegt werden mußten, obgleich dieser Gott damals durch einen der Zahnabszesse, unter denen er öfters litt, sich nervös herabgesetzt fand und außerdem von dem Bau seines eignen Totentempels drüben im Westen dermaßen in Anspruch genommen war, daß er ärgerlichen Nachrichten aus dem elenden Amulande, wie daß »verlorengingen die Städte des Königs« und »abgefallen sei das Land Pharaos zu den Chabiren, welche alle

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