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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sodaß man dort besser, als irgendwo, einem geistigen Gotte dienen mochte. Kurzum, was seine Seele bedurfte, war die Getröstung, daß durch sein Scheiden von hier die Verheißungen des großen Rampentraumes, der ihm im Gilgal von Beth-el geworden, nicht aufgehoben seien, sondern daß Gott, der König, fest zu den Worten stand, die er damals in die Harfen gerufen. Um dies zu erfahren, schlief er, und im Schlafe erfuhr er’s. Gott sprach ihm mit heiliger Stimme zu, wessen seine Seele bedurfte und sein süßestes Wort war, daß Joseph solle »seine Hände auf Jaakobs Augen legen«, – ein innig-mehrdeutiges Traumwort, das heißen mochte, der weltmächtige Sohn werde ihn schützen und für sein Alter sorgen unter den Heiden, und auch, der Liebling werde ihm einst die Augen zudrücken, – was ja der Träumer sich längst nicht mehr hatte träumen lassen.
    Nun ließ er sich’s träumen, dies und das andere, und seine schlafenden Augen waren feucht davon unter den Lidern. Als er aber erwachte, war er gestärkt und versichert und mochte sich lösen aus dieser Station, um weiterzuziehen mit allen Siebzig. Den feinen ägyptischen Reisestuhl mit dem Windschutz bestieg er nun, der den Rücken zweier weißer Esel mit Wollblumen aufgelegt war, und nahm sich noch schöner und würdiger darin aus als auf dem Kamel.
    Von absprechender Liebe
    Es ging eine Handelsstraße vom Nordosten des Delta durch das trockene Südland von Kanaan über Beerscheba nach Hebron. Diese zogen die Kinder Israel und zogen also einen etwas anderen Weg, als die Brüder auf ihren Kauffahrten genommen. Die Gegend, durch die er führte, war anfangs wohlbevölkert, und zahlreich waren die kleinen und größeren Siedlungen. Dann, als der Tage mehr wurden, ging es freilich durch ausgesprochen verfluchte Strecken ohne Halm, wo man nur vagabundierende und zur Übeltat aufgelegte Wüstlinge in weiter Entfernung dahinflitzen sah und die wehrhaften Männer des Zuges ihre Schießbogen nicht gern von der Hand ließen. Aber die Gesittung verlor sich doch auch im Schlimmsten nicht ganz, sondern begleitete sie, etwa wie Gott es tat, wenn auch mit schaurigen Unterbrechungen, wo sie aussetzte und es keinen Trost mehr gab außer Gott allein, – begleitete sie in Gestalt beschützter Wüstenbrunnen und vom Geist des Verkehrs gegründeter und unterhaltener Wegmale, Lugtürme und Rastplätze bis zum Ziel, will vorerst sagen: bis in die Gegend, in die schon das kostbare Ägyptenland seine Wachen und Wehren ein gut Stück ins Elende vorschob, ehe man seine unbestürmbare Grenze und ihren krittligen Durchlaß erreichte, die Mauern der Feste Zel.
    In siebzehn Tagen erreichten sie sie – oder waren es noch einige mehr? Sie sahen die Zahl ihrer Reisetage für siebzehn an und hätten mit einem Zähler und Rechner nicht gestritten darum. Eine Tage-Zahl im Charakter von siebzehn war es gewiß, gleichviel, ob sie etwas höher oder niedriger war, – leicht mochten es ein paar mehr gewesen sein, zum mindesten, wenn man den Aufenthalt zu Beerscheba mit einrechnete; denn noch hatte der Sommer Gewalt, und nur die frühen und späten Tagesstunden hatte man, um der Schonung willen Jaakobs, des Vaters, immer zur Fortbewegung benutzt. Ja, reichlich siebzehn Tage war es her, daß man von Mamre aufgebrochen war und die Fahrt unternommen, das heißt: sich für einige Zeit einem Wanderleben mit wechselnd aufgeschlagenen Zelten überlassen hatte. Und nun hatten die Tage sie vor Zel, die Feste, gebracht, wo es durchging in Josephs Reich.
    Hegt irgend jemand die geringste Besorgnis betreffend die grimme Paß-Feste und unsere Wanderer, daß ihnen etwa dort Schwierigkeiten erwachsen könnten? Er müßte sich auslachen lassen. Denn die hatten Ferman, Paß und Beglaubigung, – du lieber Gott! Dergleichen hatten Leute des Elends entschieden noch niemals geführt, die an die Pforte Ägyptenlands geklopft hatten, – es gab keine Pforte und Mauern und Gatter für diese, die Werke und Wehrtürme Zels waren wie Dunst und Luft für diese, und nichts als lächelnde Dienstfertigkeit war die Krittelsucht der Kontrolleure. Pharao’s Paß-Offiziere hatten ja wohl ihre Weisungen betreffend die Leute hier; Weisungen, die sie schmeidigten! Eingeladen ins Land waren die Jaakobskinder ja wohl von keinem Geringeren als dem Herrn des Brotes zu Menfe, dem Schattenspender des Königs, Djepnuteefonech, Pharao’s Alleinigem Freund, eingeladen zum Weiden und Siedeln! Besorgnis? Schwierigkeiten? Der Reisestuhl, in dem man

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