Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Sich faßt’ Er’s Ich sagend zusammen, das Sein alles Seins, Elohim, die Vielheit als Einheit.
    Über diesen Namen, Elohim, ließ Jaakob sich sehr fesselnd aus, aufregend für die Siebzig und nicht ohne Spitzfindigkeit. Man merkte schon, woher Dan, sein Fünfter, es hatte: dessen Spitzfindigkeit war nur eine geringere Sohnes-Abzweigung der höheren des Alten. Die Frage, die er erörterte, war, ob man »Elohim« als Einzahl oder als Mehrzahl zu denken und also zu sprechen habe: »Elohim will« oder »Elohim wollen«. Die Wichtigkeit richtiger Redeweise zugegeben, war hier eine Entscheidung notwendig, und Jaakob schien sie zu treffen, indem er die Einzahl befürwortete. Gott war Einer, und der hätte sich in Irrtum verfangen, der gemeint hätte, »Elohim« sei die Mehrzahl von »El« oder »Gott«. Diese Mehrzahl hätte ja »Elim« gelautet. »Elohim« war etwas ganz anderes. Es meinte so wenig eine Vielheit, wie der Name Abraham eine solche meinte. Der Mann von Ur hatte Abram geheißen, und dann hatte sein Name die Ehren-Dehnung zu Abraham erfahren. So auch mit Elohim. Es war eine majestätische Ehren-Dehnung, nichts weiter, – beileibe war nichts damit gemeint, was man mit dem Worte Vielgötterei hätte strafen müssen. Der Lehrende prägte das ein. Elohim war Einer. Aber dann kam es doch wieder so heraus, als seien es mehrere, etwa drei. Drei Männer waren zu Abraham gekommen im Haine Mamre, als er an der Tür seiner Hütte gesessen hatte und der Tag am heißesten gewesen war. Und die drei Männer waren, wie der herbeieilende Abraham sofort erkannte, Gott der Herr gewesen. »Herr«, hatte er gesagt, indem er sich vor ihnen niederbückte zur Erde, »Herr« und »du«. Dazwischen aber auch »ihr« und »euch«. Und hatte sie gebeten, sich in den Schatten zu setzen und sich mit Milch und Kalbfleisch zu stärken. Und sie aßen. Und dann sagten sie: »Ich will wieder zu dir kommen über ein Jahr.« Das war Gott. Er war Einer, aber er war ausdrücklich zu dritt. Er trieb Mehrgötterei, sagte aber stets und grundsätzlich nur »ich« dabei, während Abraham abwechselnd »du« und »ihr« gesagt hatte. Den Namen Elohim als Mehrzahl zu gebrauchen, hatte, hörte man Jaakob länger reden, trotz vorangegangener gegenteiliger Einprägung also doch etwas für sich. Ja, hörte man ihm länger zu, so schimmerte durch, daß auch seine Gotteserfahrung, wie Abrams, dreifältig gewesen sei und sich aus drei Männern, drei selbständigen und dennoch auch wieder zusammenfallenden Ich-sagenden Personen zusammensetzte. Er sprach nämlich erstens vom Vätergott oder auch Gott, dem Vater, zweitens von einem Guten Hirten, der uns, seine Schafe, weide, und drittens von Einem, den er den »Engel« nannte, und von dem die Siebzig den Eindruck gewannen, daß er uns mit Taubenflügeln überschatte. Sie machten Elohim aus, die dreifältige Einheit.
    Ich weiß nicht, ob euch das nahe geht, aber für Jaakobs Zuhörer unter dem Baum war es höchst unterhaltend und aufregend; sie waren begabt dafür. Im Auseinandergehen und noch auf ihren Lagern vorm Einschlafen diskutierten sie lange und eifrig über das Gehörte, über die Ehren-Dehnung und Abrahams dreifachen Ehrengast, über das gebotene Vermeiden der Vielgötterei im Angesicht einer Gottheit, von deren mehrfältiger Existenz eine gewisse Versuchung dazu immerhin ausging, was aber eben nur einer Probe gleichkam auf unsere Begabung fürs Göttliche, – einer Probe, der unter den Jaakobsleuten sogar die Halbwüchsigen schon sich fröhlich gewachsen fühlten.
    Ihr Oberhaupt selbst ließ sich sein Lager unter dem heiligen Baum bereiten alle drei Nächte, die er zu Beerscheba verbrachte. Die ersten beiden Nächte träumte er nicht, die dritte aber brachte ihm den Traum, um dessen willen er schlief, und dessen er zu Trost und Stärkung bedurfte. Er fürchtete sich vor Ägyptenland und brauchte dringend die Versicherung, daß er sich nicht fürchten müsse, dorthin hinabzuziehen: aus dem Grunde nicht, weil der Gott seiner Väter nicht ortsgebunden war und mit ihm sein werde in dieser Unterwelt auch, wie er mit ihm gewesen war in Labans Reich. Notwendig und aus Herzensgrund brauchte er die Bestätigung, daß Gott nicht nur mit ihm hinabziehen, sondern ihn auch, oder doch seinen Stamm, nachdem Er ihn zum Haufen Volks gemacht, wieder hinaufführen werde ins Väterland, dies Land zwischen den Nimrod-Reichen, das zwar auch ein unwissend Land voll törichter Ursassen war, aber doch eben kein Nimrod-Reich,

Weitere Kostenlose Bücher