Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
diese leichten, zum Teil sehr luxuriös ausgestatteten und von einem Mäuler- oder Pferdepaar gezogenen Gefährte mit dem zierlichen, hinten offenen, mit gepreßtem Purpurleder bezogenen Wagenkasten, der manchmal nur aus einem geschwungenen und vergoldeten Holzgeländer bestand, – diese Tändel-Karossen, so gut Joseph und sein königlicher Herr es damit gemeint hatten, erwiesen sich als recht unverwendlich und kehrten meist ebenso leer nach Ägyptenland wieder zurück, wie sie gekommen waren. Niemand hatte etwas davon, daß ihre Radnägel Mohrenköpfe in schönster Ausführung darstellten, ja daß einige von ihnen innen und außen mit Leinwand und Stuck überzogen und aus dem Stuck die anschaulichsten Relief-Darstellungen aus dem höfischen und bäuerlichen Leben gearbeitet waren. Man konnte nur zu zweien, oder, sehr gedrängt, zu dreien darin stehen, was bei unsanften Wegen und mangelnder Federung auf die Dauer äußerst ermüdend war; oder man mußte sich, mit dem Rücken gegen das Gespann, auf den Boden setzen und die Füße nach außen hängen lassen, was wenigen beliebte. Viele, wie Thamar, bevorzugten die Muster- und Urform des Wanderns, das zu Fuße am Stabe Schreiten. Die meisten, Männer wie Frauen, waren beritten: breitfüßige Kamele, knochige Maultiere, weiße und graue Esel, mit großen Glasperlen, bestickten Satteldecken, baumelnden Wollblumen sämtlich geschmückt, das waren die Reittiere, die den Staub der Wege erregten, auf ihnen wanderte Jaakobs Volk, das Joseph nachkommen ließ, eine bunte Sippe in gewirkter Wolle, die bärtigen Männer in Flauschmänteln der Wüste oft, und Kopfbehängen, die ein Filzring festhielt auf dem Scheitel, die Frauen mit Flechten schwarzen Haares auf den Schultern, die Handgelenke klirrend von Silberund Erzkettchen, die Stirnen mit Münzen behangen, die Nägel von Henna rot, Säuglinge im Arm, die in große und milde Tücher mit Brokaträndern gewickelt waren, – so zogen sie hin, geröstete Zwiebeln, saures Brot und Oliven verspeisend, meist auf dem Kamm des Gebirges, die Straße, die von Urusalim und den Höhen Hebrons hinab ging ins tiefere Südland, Negeb, das Trockene genannt, nach Kirjath Sefer, der Buchstadt, und nach Beerscheba.
Unsere Hauptsorge gilt selbstverständlich der Bequemlichkeit Jaakobs, des Vaters. Wie stand es mit seiner Beförderung? Hatte Joseph, als er seine Wagen schickte, gemeint, der hohe Greis werde stehend in einem Relief-Kästchen oder hinter einem Goldgeländer die Reise vollbringen? Das hatte er nicht. Nicht einmal Pharao, seinem Herrn, war solche Zumutung in den Sinn gekommen. Die Weisung, die das schöne Kind des Atôn aus seinem neu riechenden Palaste hatte ergehen lassen, war dies Wort: »Nehmet euren Vater und traget ihn.« Der Patriarch sollte getragen werden, gleichsam im Triumph, das war die Idee; und unter den von Joseph geschickten, meist unnützen Wagen befand sich ein einzelnes Beförderungsmittel anderer Art, das eben diesem feierlichen Zweck, dem Getragen-werden Jaakobs, zugedacht war: ein ägyptischer Sänftenstuhl, wie solcher die Vornehmen Keme’s sich wohl auf den Straßen der Städte und auf Reisen bedienten, und zwar ein ausnehmend elegantes Beispiel dieser Kommodität, mit einer Rückenlehne aus feinem Rohr, zierlich beschrifteten Seitenwänden, reichen Behängen und bronzierten Tragstangen, versehen sogar noch mit einem leichten und bunt bemalten Holzkasten im Rücken, zum Schutz gegen Wind und Staub. Der Reisestuhl konnte von Jünglingen getragen, er konnte aber auch vermittelst vorgesehener Querstangen den Rücken zweier Esel oder Maultiere aufgelegt werden, und Jaakob fühlte sich sehr wohl darin, als er sich erst einmal entschlossen hatte, ihn zu gebrauchen. Er tat es jedoch erst von Beerscheba an, das seiner Auffassung nach den Grenzpunkt von Heimat und Fremde bezeichnete. Bis dorthin trug ihn ein kluges Dromedar von langsamen Blicken, an dessen Sattel ein schattender Sonnenschirm befestigt war.
Der Greis bot einen sehr schönen und würdevollen Anblick und wußte es auch, wie er, umgeben von seinen Söhnen, auf hohem Rücken, im Wiegetritte des weisen Tieres dahinschwankte. Der feine Wollmusselin seiner Kofia zackte sich in der Stirn, schlang sich faltig um Hals und Schultern und fiel leicht auf sein Kleid von dunklem Rotbraun hinab, das, wo es sich öffnete, das gewirkte Untergewand sehen ließ. In seinem Silberbarte spielten die Lüfte. Der in sich gekehrte Blick seiner sanften Hirtenaugen bekundete,
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