Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
seinem Ohr, das der Sohn mit abgewandtem Gesicht seinem Munde neigte:
»Jehosiph, einst ließ ich dir das bunte Kleid und vermacht’ es dir, da du darum betteltest. Du weißt, daß es nicht die Erstgeburt bedeutete und das Erbe?«
»Ich weiß es«, antwortete Joseph ebenso leise.
»Ich aber meinte es wohl so, oder halb und halb so, in meinem Herzen«, sprach Jaakob wieder; »denn mein Herz hat dich geliebt und wird dich immer lieben, ob du nun tot seist oder am Leben, mehr, denn deine Gesellen. Gott aber hat dir das Kleid zerrissen und meine Liebe zurechtgewiesen mit mächtiger Hand, gegen die kein Löcken ist. Er hat dich gesondert und dich abgetrennt von meinem Hause; das Reis hat Er vom Stamm genommen und es ist in die Welt verpflanzt – da bleibt nur Gehorsam. Gehorsam des Handelns und der Beschlüsse, denn das Herz unterliegt nicht dem Gehorsam. Er kann mir mein Herz nicht nehmen und seine Vorliebe, ohne, Er nähme mein Leben. Wenn es nur nicht tut und beschließt, dies Herz, nach seiner Liebe, so ist’s Gehorsam. Verstehst du?«
Joseph wandte den Kopf gegen ihn und nickte. Er sah Tränen in den alten braunen Augen vor ihm, und auch die seinen näßten sich abermals.
»Ich höre und weiß«, flüsterte er und hielt wieder das Ohr hin.
»Gott hat dich gegeben und genommen«, raunte Jaakob, »und hat dich wieder gegeben, aber nicht ganz; Er hat dich auch wieder behalten. Wohl hat Er das Blut des Tieres gelten lassen für das des Sohnes, und doch bist du nicht wie Isaak, ein verwehrtes Opfer. Du hast mir von der Fülle Seines Gedankens gesprochen und vom hohen Doppelsinn Seiner Ratschläge – du hast klug gesprochen. Denn die Weisheit ist Sein, aber des Menschen die Klugheit, sich sorglich einzudenken in jene. Dich hat Er erhöht und verworfen, beides in einem; ich sag dir’s in’s Ohr, geliebtes Kind, und du bist klug genug, es hören zu können. Er hat dich erhöht über deine Brüder, wie du dir’s träumen ließest – ich habe, mein Liebling, deine Träume immer im Herzen bewahrt. Aber erhöht hat Er dich über sie auf weltliche Weise, nicht im Sinne des Heils und der Segenserbschaft – das Heil trägst du nicht, das Erbe ist dir verwehrt. Du weißt das?«
»Ich höre und weiß«, wiederholte Joseph, indem er einen Augenblick das Ohr hinweg- und dafür den flüsternden Mund hinwandte.
»Du bist gesegnet, du Lieber«, fuhr Jaakob fort, »gesegnet vom Himmel herab und von der Tiefe, die unten liegt, gesegnet mit Heiterkeit und mit Schicksal, mit Witz und mit Träumen. Doch weltlicher Segen ist es, nicht geistlicher. Hast du je die Stimme absprechender Liebe vernommen? So vernimmst du sie jetzt an deinem Ohre, nach dem Gehorsam. Auch Gott liebt dich, Kind, spricht Er dir gleich das Erbe ab und hat mich gestraft, weil ich’s heimlich dir zudachte. Der Erstgeborene bist du in irdischen Dingen und ein Wohltäter, wie den Fremden, so auch Vater und Brüdern. Aber das Heil soll nicht durch dich die Völker erreichen, und die Führerschaft ist dir versagt. Du weißt es?«
»Ich weiß«, antwortete Joseph.
»Das ist gut«, sprach Jaakob. »Es ist gut, das Schicksal mit heiter bewundernder Ruhe anzuschauen, das eigene auch. Ich aber will’s machen, wie Gott, der dir gönnte, indem Er dir verweigerte. Du bist der Gesonderte. Abgetrennt bist du vom Stamm und sollst kein Stamm sein. Ich aber will dich erhöhen in Väter-Rang, dadurch, daß deine Söhne, die Erstgeborenen, sein sollen, wie meine Söhne. Die du noch erhältst, sollen dein sein, diese aber mein, denn ich will sie annehmen an Sohnes Statt. Du bist nicht gleich den Vätern, mein Kind, denn kein geistlicher Fürst bist du, sondern ein weltlicher. Sollst aber dennoch an meiner Seite sitzen, des Stammvaters, als ein Vater von Stämmen. Bist du’s zufrieden?«
»Ich danke dir fußfällig«, erwiderte Joseph leise, indem er wieder statt des Ohres den Mund hinwandte. Da löste Israel die Umhalsung.
Die Bewirtung
Die Fernstehenden, Josephs Leute hier und das Jaakobsvolk dort, hatten dem nah-vertrauten Gespräch der Beiden ehrfürchtig zugesehen. Nun sahen sie, daß es beendet war und daß Pharao’s Freund den Vater einlud, von hier zu fahren. Gegen die Brüder wandte er sich und ging auf sie zu, sie zu bewillkommnen; sie aber sputeten sich ihm entgegen und neigten sich alle vor ihm, und er herzte Benjamin, seiner Mutter Sohn.
»Jetzt will ich deine Weiber sehen und deine Kinder, Turturra«, sagte er zu dem kleinen Mann. »Euer aller Frauen und
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