Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
und ihr letztes Stündlein ins Auge zu fassen – wie Jaakob tat, als die siebzehn Jahre, die er noch zu leben hatte, auf die Neige gingen und er sein Haus bestellte. Siebzehn Jahre, das ist die Frist, die auch unserer Geschichte noch gegeben ist, oder die sie sich aus Sinn für Maß und Vernunft selber noch gibt. Niemals, bei allem Unternehmungsgeist, lag es in ihrer Absicht, länger zu leben, als Jaakob – oder doch eben nur um soviel länger, daß sie noch seinen Tod erzählen kann. Ihre Maße in Raum und Zeit sind patriarchalisch genug. Alt und lebenssatt, zufrieden, daß allem eine Grenze gesetzt ist, wird sie ihre Füße zusammentun und verstummen.
    Aber solange sie währt, läßt sie sich’s nicht verdrießen, ihre Zeit zu erfüllen, und kündet wackeren Mundes sogleich, was jeder schon weiß, daß Joseph Wort hielt und zuerst eine Auswahl aus seinen Brüdern, fünf von ihnen, vor Pharao stellte und dann auch Jaakob, seinen Vater, förmlich bei dem schönen Kinde des Atôn einführte, wobei der Patriarch sich sehr würdevoll, wenn auch vielleicht für weltliche Begriffe etwas zu überlegen benahm. Das Nähere hierüber alsbald. Joseph kam um die Audienzen beim Herrn des Süßen Hauches persönlich ein, und es ist bemerkenswert, wie wohl vertraut sich die Überlieferung mit den ägyptischen Umständen zeigt im Gebrauch der Richtungsbezeichnungen »hinab« und »hinauf«. Nach Ägyptenland zog man »hinab«; die Kinder Israel waren hinabgezogen auf Gosens Fluren. Zog man aber dann in derselben Richtung weiter, so zog man »hinauf«; nämlich stromaufwärts, gegen Ober-Ägypten; und so, heißt es korrekt, tat Joseph: er begab sich »hinauf« nach Achet-Atôn, der Stadt des Horizontes im Hasengau, der einzigen Hauptstadt der Länder, um dem Hor im Palaste anzuzeigen, daß seine Brüder und seines Vaters Haus zu ihm gekommen seien, und ihn auf den Gedanken zu bringen, daß man nichts Klügeres tun könne, als diese erfahrenen Hirten zu Hütern zu setzen über das Kronvieh im Lande Gosen. Pharao aber fand Gefallen an dem Gedanken, der ihm da gekommen war, und als die fünf Brüder vor ihm standen, sprach er ihn aus und berief sie zu seinen Hirten.
    Dies geschah nicht viele Tage nach der Ankunft Israels in Ägypten, sobald Pharao wieder einmal On, seine liebe Stadt, besuchte und dort im Horizont seines Palastes erglänzte, wie er getan, als Joseph zuerst vor ihn gebracht worden war, damit er seine Träume deute. Diesen Zeitpunkt hatte man abgewartet zur Schonung Jaakobs, des Betagten, damit er keine zu weite Fahrt habe bis vor Pharao’s Stuhl. Er war aber in Josephs Hause zu Menfe um diese Zeit, zusammen mit den fünf zur Vorstellung auserlesenen Söhnen, nämlich zwei Lea-Sprossen, Ruben und Juda , einem von Bilha: Naphtali , einem von Silpa: Gaddiel , und Rahels Zweitem, Benoni-Benjamin . Diese hatten den Vater hinaufbegleitet zur Stadt des Gewickelten am westlichen Ufer und in das Haus des Erhöhten: da grüßte Asnath, das Mädchen, den Vater des Räubers, und die ägyptischen Enkel wurden vor ihn geführt, daß er sie prüfe und segne. Der Alte war tief bewegt. »Der Herr ist von überwältigender Freundlichkeit«, sagte er. »Er hat mich dein Angesicht sehen lassen, mein Sohn, was ich nicht gedacht hätte, und siehe, nun läßt Er mich auch deinen Samen sehen.« Und fragte den Größeren der Knaben nach seinem Namen.
    »Menasse«, antwortete der.
    »Und wie heißest du?« fragte er danach den Kleineren.
    »Ephraim«, war die Antwort.
    »Ephraim und Menasse«, wiederholte der Alte, indem er den Namen zuerst nannte, den er zuletzt gehört hatte. Dann stellte er Ephraim an sein rechtes Knie und Menasse gegen das andere, liebkoste sie und verbesserte ihre ebräische Aussprache.
    »Wie oft hab’ ich’s euch, Menasse und Ephraim, schon gesagt«, tadelte Joseph, »daß ihr so sprechen sollt und nicht so.«
    »Ephraim und Menasse«, sagte der Alte, »können nichts dafür. Dein Mund, mein Herr Sohn, ist selber etwas verbildet. – Wollt ihr zu Haufen Volks werden in eurer Väter Namen?« fragte er die Beiden.
    »Wir wollen’s gern«, antwortete Ephraim, der gemerkt hatte, daß er bevorzugt wurde, und Jaakob segnete sie damals schon vorläufig.
    Gleich darauf hieß es, daß Pharao nach On, dem Hause des Rê-Horachte, gekommen sei, und Joseph fuhr hinab zu ihm, gefolgt von den fünf Auserwählten. Jaakob aber wurde getragen. Fragt man, warum nicht er, der Hochwürdige, zuerst empfangen wurde, sondern, wie ja

Weitere Kostenlose Bücher