Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
so haben es die Väter gehalten, unter Bäumen wohnten sie und nicht zwischen Mauern, aber nahe Beerscheba und Hebron. Zu Pa-Kôs, Per-Sopd und Per-Bastet am Arm des Stromes mögt ihr verhandeln eure Erzeugnisse – Pharao, meinem Herrn, wird es genehm sein, daß ihr weidet, handelt und wandelt. Denn ich will um Gehör einkommen bei Seiner Majestät und vor ihm reden um euretwillen. Vortragen will ich ihm, daß ihr zu Gosem seid, und daß euer Verbleiben dahier sich klar empfiehlt, da ihr allezeit Hirten von Kleinvieh gewesen seid, wie auch schon eure Väter. Ich will euch nämlich sagen: Schafhirten sind den Kindern Ägyptens ein wenig zuwider, – nicht so sehr wie Schweinehirten, das nicht, aber ein leichter Widerwille sind ihnen Herdenwirte, was euch nicht kränken darf, sondern im Gegenteil nutzen wollen wir’s dazu, daß ihr hier bleiben dürft, abgesondert von den Ägyptern, denn Schafhirten gehören in das Land Gosen. Weiden doch auch Pharao’s eigene Herden in dieser Landschaft, das Kleinvieh des Gottes. Darum, da ihr Brüder erfahrene Hirten und Züchter seid, liegt der Gedanke nahe und ich will ihn Seiner Majestät nahe legen, sodaß er gleichsam von selbst darauf kommt, daß er euch, oder doch etliche von euch, einsetzt als Vorsteher seiner Herden dahier. Er ist sehr lieb und trätabel, und ihr wißt ja: er hat schon Befehl gegeben, daß ich eine Auswahl von euch – denn alle, das wäre zuviel für ihn – vor ihn stelle, damit er euch frage und ihr ihm antwortet. Wenn er euch aber nach eurer Nahrung fragt und eurer Beschäftigung, so wißt ihr Männer, daß das nur eine Form ist, und daß er längst von mir weiß, was euer Erwerb ist, auch daß ich ihn schon auf den Gedanken gebracht habe, euch über sein Vieh zu setzen. Das wird sein Hintergedanke sein bei seiner Form-Frage. Darum bestätigt nur kräftig meine Aussage und sprecht: ›Deine Knechte sind Leute, die mit Vieh umgehen von unserer Jugend auf, wie unsere Väter taten.‹ Dann wird er erstens verfügen, daß eure Wohnung Gosen sein soll, die Nieder-Landschaft, und wird zweitens den Gedanken offenbaren, daß ich am besten tue, euch über sein Vieh zu setzen, die Tüchtigsten von euch. Welche aber die Tüchtigsten sind, das mögt ihr ausmachen unter euch selbst, oder der Vater, unser lieber Herr, mag’s bestimmen. Ist nun dies alles geordnet, so will ich auch dir, mein Vater, ein Privat-Gehör verschaffen bei dem Gottessohn; denn es gehört sich, daß er dich sieht in der Würde deiner Geschichtenschwere, und daß du ihn siehst, den zart Bemühten, der recht wohl auf dem Wege ist, wenn auch der Rechte nicht für den Weg. Auch hat er’s ja selbst schon brieflich befohlen, daß er dich sehen und dich befragen will. Ich kann nicht sagen, wie ich mich darauf freue, dich vor ihn zu stellen, daß er dich sieht, Abraham’s Enkel, den Gesegneten, in seiner Feierlichkeit. Er weiß auch schon dies und das von dir, gewisse Stückchen, mit den geschälten Stäben, zum Beispiel. Du aber, nicht wahr, wenn du vor ihm stehst, wirst mir die Liebe tun und dich erinnern, daß ich eine Stellung einnehme unter den Kindern Ägyptens, und wirst Pharao, dieser Kinder König, nicht strafend ihre Sitten schildern, wie sie dir geistlicher Weise vorschweben, das wäre verfehlt.«
»Nicht doch, sei unbesorgt, mein Herr Sohn, liebes Kind«, entgegnete Jaakob. »Dein alter Vater weiß wohl, schonend Rücksicht zu nehmen auf die Größe der Welt, denn auch sie ist von Gott. Sei bedankt für das Haus und die Wohnung, die du mir sinnig vorbereitet hast im Lande Gosen. Dorthin will Israel sich nun begeben und all dieses besinnen, daß er es einverleibe dem Schatz seiner Geschichten.«
Jaakob steht vor Pharao
Mit Erstaunen bemerken wir, daß diese Geschichte sich gegen ihr Ende neigt, – wer hätte gedacht, daß sie je ausgeschöpft sein und ein Ende nehmen werde? Aber ein Ende nimmt sie im Grunde ja auch so wenig, wie sie eigentlich je einen Anfang nahm, sondern, da es mit ihr unmöglich immer so weiter gehen kann, so muß sie sich irgend einmal entschuldigen und die kündenden Lippen schließen. Einen Schluß, vernünftiger Weise, muß sie sich setzen, da sie kein Ende hat; denn zu schließen ist ein Vernunft-Akt angesichts des Unendlichen, in Erfüllung des Satzes: »Der Vernünftigere gibt nach.«
Die Geschichte also, indem sie nach mancher zu Lebzeiten bekundeten Maßlosigkeit zuletzt denn doch einen gesunden Sinn für Maß und Ziel bewährt, fängt an, ihr Ableben
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