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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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gegen diese Stimme hat verteidigen wollen, deshalb hat er die Sätze über den düstern Mut des Saul geschrieben. Süß und erhebend war es, sie zu schreiben. Süß und erhebend ist es, sich von seinem Mut fortreißen zu lassen, bedenkenlos. Aber höllisch schwer ist es, niederdrückend, taub zu bleiben vor der Lockung und nichts zu hören als die ruhige, keineswegs hinreißende Stimme der Vernunft.
      Da hockt er, ein noch nicht alter Mann, und das Zimmer, dämmerig mit Ausnahme des von der Öllampe beleuchteten Schreibtisches, ist voll von den ungetanen Taten, nach denen er sich sehnt. Denn die Gelassenheit, von der er soviel hermacht, diese seine Stille hier inmitten des lauten, glänzenden, von Taten berstenden Rom ist künstlich, ist erkrampft, ist Schwindel. Alles in ihm ist wund und weh vor hungrigem Ehrgeiz und Tatendrang. Rausch erzeugen, Tatenlust, das ist etwas. Die Geschichte des Königs Saul so erzählen, daß die Jugend seines Volkes ihm zujubelt und begeistert in den Tod geht wie damals, als er sie, jung und dumm, mit seinem Makkabäerbuch hinriß, das ist etwas. Die Geschichte Sauls und Davids und der Könige und der Makkabäerfürsten, deren Blut er selber in den Adern trägt, so schreiben, daß sein Sohn Paulus spürt: Mein Vater ist ein Mann und ein Held, das ist etwas. Aber die Billigung der eigenen Vernunft, die Bewunderung der Späteren, der Nachwelt, das ist Schall und Dunst.
      Er darf das nicht denken. Er muß die Gesichte fortjagen,
    die ihm hier im Dunkeln auflauern. Er klatscht dem Diener, befiehlt: »Licht, Licht!« Alle Lampen und Kerzen müssen angezündet werden. Erleichtert spürt er, wie er wirklich, da sich der Raum erhellt, wieder er selber wird. Jetzt kann er der Vernunft folgen, seiner wahren Führerin.
      Er setzt sich von neuem an den Arbeitstisch, zwingt sich zur Sammlung. »Damit es nicht den Anschein habe«, schreibt er, »als beabsichtige ich, König Saul über Gebühr zu loben, fahre ich jetzt in meiner eigentlichen Erzählung fort.« Und er fuhr fort, erzählte, sachlich, gemessen.
      So mochte er eine Stunde gearbeitet haben, als ihm der Diener meldete, ein Fremder sei da, der sich nicht abweisen lasse, ein Doktor Justus aus Tiberias.

    Josef hatte seinen großen literarischen Gegner in den letzten Jahren selten gesehen und kaum je allein. Es konnte schwerlich Gutes bedeuten, daß ihn Justus zu so ungewohnter Stunde aufsuchte.
      Das graugelbe Antlitz des Mannes, wie er jetzt ins Zimmer trat, Feuchtigkeit und Kälte mit sich bringend, schien dem Josef noch härter geworden, trockener, zerfurchter, als er es in der Erinnerung hatte. Alt, verbraucht, mühsam hochgehalten saß der Kopf des Justus auf dem erschreckend dürren Hals. Josef, so gespannt er auf das wartete, was ihm der andere sagen werde, richtete mechanisch das Aug auf den Stumpf jenes linken Armes, den man dem Justus damals hatte amputieren müssen, als ihn Josef vom Kreuz herunterholte. Er hat sich damit einen scharfen Mahner vom Kreuz geholt, der mit grausam sicherem Blick jede faule Stelle an ihm durchschaute, einen Mann, vor dem Josef immer Angst hatte und den er doch nicht entbehren konnte.
      »Und was wollen Sie, mein Justus?« fragte er ihn nach einigen Sätzen geradezu. »Ich möchte Ihnen einen dringlichen Rat geben«, erwiderte Justus. »Sehen Sie sich in den nächsten Wochen gut vor, was Sie reden und zu wem. Denken Sie auch darüber nach, ob Sie vielleicht in letzter Zeit Dinge gesagt haben, die Übelwollende zu Ihren Ungunsten ausdeuten könnten, und überlegen Sie, wie solche Kommentare zu entkräften wären. Es gibt in der Umgebung des Kaisers Leute, die Ihnen nicht wohlwollen, und Sie selber sollen ab und zu Leute bei sich sehen, deren Staatstreue fraglich ist.« – »Darf man nicht mit Leuten verkehren«, fragte Josef, »die römisches Bürgerrecht haben und die niemals von einer Behörde verdächtigt worden sind?« Justus verzog die dünnen Lippen. »Man durfte es«, antwortete er, »in Friedenszeiten. Aber jetzt sieht man sich besser einen jeden genau an, mit dem man Worte wechselt, nicht nur darauf, ob einmal etwas gegen ihn vorgelegen hat, sondern auch, ob einmal in Zukunft etwas gegen ihn vorliegen könnte.«
      »Sie denken, der Friede im Osten ...?« Josef vollendete den Satz nicht.
      »Ich denke, der Friede im Osten ist wieder einmal zu Ende«, erwiderte Justus. »Die Daker haben die Donau überschritten und sind in das Gebiet des Reichs eingefallen. Die Meldung

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