Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Die Herren führten also zunächst, während sie zu Abend aßen, beiläufige Reden über die Dinge des Tages. Natürlich sprach man vom Krieg. »Im Grunde«, meinte Johann von Gischala, und sein braunes, wohlwollendes, pfiffiges Gesicht lächelte vergnügt, ein wenig hinterhältig, »im Grunde ist der Kaiser nicht kriegerisch für einen Flavier.« Claudius Regin wandte sich ihm zu, salopp lag er da, die schweren Augen schauten schläfrig und mokant unter der vorgebauten Stirn. Er wußte, daß er dem Kaiser unentbehrlich war, und durfte sich deshalb ab und zu eine übellaunig spaßhafte Offenheit leisten. Auch heute nahm er keine Rücksicht auf die servierenden Diener. »Nein, kriegerisch ist DDD nicht«, erwiderte er dem Johann; DDD aber nannte man den Kaiser nach den Anfangsbuchstaben seines Titels und Namens: Dominus ac Deus Domitianus, der Herr und Gott Domitian. »Allein er findet leider, daß ihm der Triumphmantel des Jupiter nicht schlecht steht, und dieses Kostüm ist ein wenig kostspielig. Unter zwölf Millionen kann ich einen Triumph nicht machen, von den Kosten des Krieges ganz abge sehen.« Endlich konnte Josef, die Tafel aufhebend, die Dienerschaft wegschicken, und man redete zur Sache. Als erster äußerte sich Cajus Barzaarone. Er glaube kaum, setzte der joviale Herr mit den listigen Augen auseinander, daß sie, die römischen Juden, durch den bevorstehenden Krieg unmittelbar bedroht seien. Natürlich müßten sie sich in dieser schwierigen Zeit still halten und jedes Aufsehen vermeiden. Bittgottesdienste für den Kaiser und für den Sieg seiner Adler habe er für seine Agrippenser-Gemeinde bereits angeordnet, und selbstverständlich würden die andern Synagogen nachfolgen.
Das war eine vage, unbefriedigende Rede. So hätte Barzaarone im Verein der Möbelhändler sprechen können, dem er vorstand, oder bestenfalls vor den Ratsmitgliedern seiner Gemeinde; aber wenn er hier sprach, zu ihnen, dann hatte es doch keinen Sinn, die Augen vor der Gefahr zu schließen.
Johann von Gischala schüttelte denn auch den braunen, breiten Kopf. Leider, meinte er mit gutmütigem Spott, sei nicht die ganze Judenheit so brav und vernünftig wie die wohldisziplinierte Agrippenser-Gemeinde. Da gebe es zum Beispiel, wie dem verehrten Cajus Barzaarone bestimmt nicht unbekannt sei, die »Eiferer des Tages«.
Diese »Eiferer des Tages«, stellte auf seine trockene Art Justus fest, würden sich ärgerlicherweise auch auf manches Wort des Großdoktors Gamaliel berufen können. Es war aber Großdoktor Gamaliel, der Präsident der Universität und des Kollegiums von Jabne, der anerkannte Führer der gesamten Judenheit. Bei aller Mäßigung, fuhr Justus fort, habe der Großdoktor, wenn er sich nicht von den »Eiferern des Tages« allen Wind aus den Segeln habe nehmen lassen wollen, die Hoffnung auf die baldige Wiedererrichtung des Staates und des Tempels immer neu schüren und sich manchmal auch starker Worte bedienen müssen. Dessen würden sich jetzt die Fanatiker erinnern. »Der Großdoktor wird es nicht leicht haben«, schloß er.
»Machen wir uns nichts vor, meine Herren«, faßte auf seine rücksichtslose Art Johann von Gischala zusammen. »Es ist so gut wie sicher, daß die ›Eiferer des Tages‹ losschlagen werden.«
Im Grunde hatten sie das alle gewußt; dennoch gab es ihnen einen kleinen Ruck, wie Johann es so nüchtern feststellte. Josef beschaute sich diesen Johann, den nicht großen, doch breiten und kräftigen Körper, das braune, gutmütige Gesicht mit dem kurzen Knebelbart, der eingedrückten Nase, den grauen, verschmitzten Augen. Ja, Johann war der richtige galiläische Bauer, er kannte sein Judäa von innen heraus, er war unter den Anstiftern und Führern des jüdischen Krieges der populärste gewesen, und sosehr Josef sich gegen seine ganze Art auflehnte, er konnte dem Mann nicht abstreiten, daß seine Vaterlandsliebe aus den Tiefen seines Wesens kam. »Wir hier in Rom«, begründete Johann von Gischala die Entschiedenheit, mit der er gesprochen, »können uns schwer vorstellen, wie der Krieg im Osten die in Judäa aufrühren muß. Wir hier erleben sozusagen an unserm eigenen Körper die Macht des römischen Reichs, sie ist immerfort um uns herum, das Gefühl dieser Macht ist uns ins Blut übergegangen und verbietet uns jeden Gedanken an Widerstand. Aber wenn ich«, überlegte er laut, und sein Gesicht nahm einen nachdenklichen, gesammelten, schmerzhaft begehrlichen Ausdruck an, »wenn ich
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