Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Auch diesmal wird man vergeblich warnen, er wußte es. Und in abermals zwanzig Jahren, wenn sich das gleiche wiederholt, wird er auch wieder warnen müssen, noch so tief überzeugt, daß er nur die Luft erschüttert. »Ich denke«, trieb er die andern weiter an, »wir sollten unsere Namen unter das Schriftstück setzen und uns überlegen, wen sonst noch wir zur Unterschrift auffordern.«
Der bittere Eifer des sonst so zurückhaltenden Mannes ging den andern ans Herz. Gleichwohl drückte der Möbelhändler Cajus Barzaarone unbehaglich herum. »Mir scheint«, meinte er, »es kommt weniger auf die Zahl der Unterschriften an als darauf, daß die Unterzeichner bei den jüngeren Leuten in Judäa Geltung haben. Was zum Beispiel soll es nützen, wenn die Unterschrift eines alten Möbelhändlers unter diesem Manifest steht?« – »Vielleicht nützt es nicht viel«, antwortete Justus, und der Unwille klang nur leise durch seine Worte. »Aber schon damit die andern Unterzeichner gedeckt seien, sollten auch Unterschriften unverdächtiger Herren auf dem Dokument sein.« – »Das ist richtig«, trieb Claudius Regin den ängstlichen Barzaarone noch mehr in die Enge. »Die Leute unseres Polizeiministers Norban wittern Unrat hinter allem, und wenn ihnen das Manifest in die Hände fällt, dann werden sie erklären, die Unterzeichner hätten um verdächtige Umtriebe in Judäa gewußt. Je unbedenklichere Unterschriften unter dem Manifest stehen, um so geringer wird die Gefahr für jeden einzelnen.« – »Sperren Sie sich nicht lange, mein Barzaarone«, sagte Johann von Gischala und strich sich den Knebelbart, »Sie müssen schon heran.«
Man beriet, auf welche Weise man das Schriftstück nach Judäa bringen sollte. Nicht nur gab es jetzt im Winter keine rechten Schiffsverbindungen, es gab auch sonst Fährnisse. Man konnte das Dokument nur einem sichern Manne anvertrauen. »Ich weiß wirklich nicht«, meinte wiederum Cajus Barzaarone, »ob der Gewinn, den wir im besten Fall aus dem Sendschreiben ziehen, im rechten Verhältnis steht zu dem Risiko, dem wir uns und unsere Gemeinschaft aussetzen. Denn wer immer jetzt im Winter unter so schwierigen Verhältnissen nach Judäa fährt, muß stichhaltige Gründe angeben können, wenn er den Behörden nicht auffallen will.« – »Aber Sie kommen nicht los, mein Cajus Barzaarone«, ließ der verschmitzte Johann von Gischala nicht locker. »Ich weiß einen Mann, der stichhaltige Gründe hat, jetzt nach Judäa zu reisen, Gründe, die auch den Behörden einleuchten. Zweifellos werden infolge des Krieges die Bodenpreise in Judäa fallen. Da trifft es sich nicht schlecht, daß wir einen Terrainhändler unter uns haben, nämlich mich. Meine Firma hat großen Grundbesitz in Judäa. Sie wünscht, überzeugt von dem raschen Sieg der Legionen, die Konjunktur auszunutzen und ihre Terrains abzurunden. Ist das ein stichhaltiger Grund? Ich werde meinen Prokuristen, den redlichen Gorion, nach Judäa schicken. Vertrauen Sie mir das Schriftstück an. Es wird sicher befördert.«
Man unterzeichnete. Auch Cajus Barzaarone setzte schließlich, zögernd, seinen Namen unter Josefs Manifest.
Drei Tage später erfuhren die Herren zu ihrer Überraschung, daß nicht Gorion, sondern Johann von Gischala selber nach Judäa aufgebrochen war.
Josef stieg die Treppe hinauf zu den Zimmern, in denen Mara mit den Kindern wohnte. Es war eine enge, unbequeme Treppe, alles in seinem Haus war eng, unbequem, verwinkelt. Schon damals, als ihn Domitian aus dem schönen Gebäude ausquartiert hatte, das ihm der alte Kaiser zur Wohnung angewiesen, hatte man sich gewundert, daß ein so angesehener Mann sich dieses armselige, altmodische, kleine Haus in dem höchst unvornehmen Bezirk »Freibad« aussuchte. Seitdem gar Mara mit der kleinen Jalta zu ihm gekommen war und ihm die zwei Söhne zugeboren hatte, war ihm das Haus wirklich nicht mehr angemessen; aber Josef, verbissen in eine erkrampfte Bescheidenheit, hatte sich darauf beschränkt, es um ein Stockwerk zu erhöhen. Da stand es, eng, schmal, baufällig, davor die Buden von ein paar Kleinhändlern mit allerlei übelriechendem Kram, keine würdige Wohnstätte für einen Mann seines Ranges und seines Namens.
Mara hatte sich trotz ihrer Schlichtheit von Anfang an in diesem Hause nicht wohlgefühlt. Sie wollte freien Himmel über sich haben; in einer großen Stadt zu leben zwischen steinernen Wänden, das allein ging ihr gegen die Natur. Hier gar, in dem dumpfigen,
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