Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
hätte das denken können.«
    Karl Alexander, betreten, schwieg. Dann, mit neuem Anlauf, sagte er: »Ich glaub nicht, daß ich in Seiner Schuld bin. Aber wenn, bitt ich Ihn um Pardon in aller Form. Ich möchtnicht, daß irgendwas zwischen uns soll treten. Sei Er mir nicht nachträgerisch! Tu Er mir treue Dienste wie bisher! Geb Er mir die Hand!«
    Da legte Süß seine Hand, die sehr kalt war, in die große Hand des Herzogs. Eine kurze Weile standen die beiden Männer so, die Hände ohne Druck ineinander, eine pressende, engende Lähmung ging vom einen zum andern. Die Fenster waren verhängt, in dem zuckenden Licht der Kerzen regten und streckten sich die magischen Figuren, Samael, der Linke, war im Raum. So standen sie, in Wahrheit nun eine Figur jenes blassen Reigens, den sie in Traum und Nebel getanzt.
    Aus der Gebundenheit riß sich der Herzog. »Bien!« sagte er. »Bestatte Er jetzt Seine Tote! Fahr er dann nach Ludwigsburg! Es gibt zu tun.«
    Damit ging er. Atmete, die peinliche Affäre hinter sich, fröhlich den hellen Tag. Er hatte sich, weiß Gott, geführt als ein Fürst von Herz und Welt. Vergnügt und sehr zufrieden brach er sich eine der festlich heiteren Blumen von den Terrassen. Stapfte, das weiße Haus im Rücken, pfeifend durch den Wald, freute sich der Sonnenflecke, fuhr in guter Laune zurück in seine Hauptstadt.
    Bei der Toten hockte Süß. Unter den häßlichen Stoppeln mit fahlen Lippen lächelte er ein tiefes, listiges Lächeln. Ohne Worte rief er das Kind, und das Kind hörte. Er erzählte der Toten, wie schlau er gewesen war, und er erzählte ihr von seiner vorhabenden Rache. War er nicht ein Mann? Hatte er sich nicht gezähmt und war kalt gewesen? Nicht nur nicht an die Gurgel gesprungen war er jenem, freundliche Worte hatte er ihm gesagt, und die Zunge war ihm nicht lahm geworden. Die Hand hatte er ihm gereicht und hatte ihn nicht gedrosselt, seinen Dunstkreis hatte er geatmet und war nicht erstickt. Wie verwirrt er war, der andere. So gar nicht konnte er es kapieren, daß das Kind sich fortgemacht, ganz simpel davongegangen war, eh daß er Hochseine Lust hatte stillen können.
    Was hatte er zuletzt gesagt? Es gibt zu tun in Ludwigsburg? Abkaufen wollte er ihm, durch Geschäfte, durch Affären abschachern ihm den Tod seines Kindes! Der Narr der, der siebenfach verblendete! Aber er war ruhig geblieben, freundlich und demütig hatte er geantwortet und war ruhig geblieben. Er freute sich wohl, der andere, daß er so wohlfeil losgekommen war. Da lag das Kind, ein Bündel totes Fleisch, ein armes Häuflein Anklage und Verwesung. Ei ja, dachte er wohl, der andere, wenn er mir im Angesicht dieser Toten nicht an die Gurgel springt, dann ist er fürderhin erst recht zu miserabel. Gefehlt, Herr Herzog! Gefehlt, allerdurchlauchtigster Herr Mörder! So simpel grob ist der Süß nicht, er ist kein Landsknecht und Bauer und Töffel, daß ihm so plump einfältige Rache genügt. Er arrangiert seine Rache raffinierter. Er siedet sie und brät sie und kocht von allen Seiten sie gar.
    Er lächelte tiefer, er zog die fahlen Lippen hoch hinauf, und die Zähne, sonst glänzend weiß, lagen gelblich und beinern trocken bloß.
    Rabbi Gabriel ging durch das Zimmer, dicklich, mit seinen umständlichen Schritten. »Dies ist nicht der Weg, Josef«, sagte er plötzlich mit seiner knarrenden, mißtönigen Stimme.
    Süß sah auf, sah ihn feindselig an. Ho! War der wieder da? Wollte er ihm wieder einreden? Was denn sonst blieb ihm als Rache? Wollte der sich dazwischenstellen mit seinen edlen Sprüchen? Wirf einen in einen Abgrund und sag ihm: Falle nicht! Und er sah ihn mit seinen müden, entzündeten Augen gehässig an. Aber er sagte nichts.
    Auch Rabbi Gabriel schwieg. Stumm an der Leiche saßen die beiden. Ihre Gedanken gingen sehr verschieden. Aber Samael, der Linke, war im Raum, und auf allen Wegen kehrten ihre Gedanken immer wieder zurück zu Samael, dem Linken.
    Durch die jüdischen Gemeinden des Römischen Reichs flog die Nachricht: Dem Reb Josef Süß Oppenheimer, Minister und großen Herrn beim Herzog von Württemberg, RetterIsraels in schrecklicher, grausiger Not, ist gestorben ein Kind. Er hat gehabt eine Tochter, ein einziges Kind. Ist ihm gestorben das Kind. Wird er hingehen und es begraben in Frankfurt. Gerühmt seist du, Jahve, Gott, gerechter Richter.
    Da machten sich auf Männer aus allen Gemeinden, aus Ost und West und Süd und Nord, zu bestatten das Kind des Reb Josef Süß Oppenheimer, Retters Israels

Weitere Kostenlose Bücher