Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
düstere, grimmige Verachtung alles des, was man gemeinhin menschliche Würde, Freiheit und Verantwortung nannte. In grauenhafter, spielerischer Laune zwang er die Abhängigen zu immer neuen, überflüssigen Demütigungen, und standen sie entblößt, ihr bißchen Menschtum abgetan und zerfetzt, dann verhöhnte er sie mit stillem, nacktem Hohn und weidete seine abgründige Menschenverachtung an ihrer kriecherischen Geduld.
    Sehr offen und im größten Ausmaß räuberte er in den herzoglichen Kassen. Er berechnete sich ungeheuerliche Provisionen, verkaufte an den Herzog zu Riesenpreisen wertlose Preziosen. Neue Lasten legte er auf das ächzende, zusammenbrechende Land, und was er auf solche Art erpreßte, leitete er unverhohlen in seine, nicht Karl Alexanders Tresore. Hatte er bisher das Herzogtum bedrückt, um Geld herauszupressen, sachlich und zweckmäßig, so würgte und drückte er jetzt das Land aus raffinierter, düsterer Freude an der Pressung. Er tat dies alles mit dreister Offenheit, legte es sichtlich darauf an, daß Karl Alexander es merke, suchte auf jede Art durch seine Geschäftsführung den Herzog zu reizen. Doch der schwieg.
    Das Aussehen des Juden blieb anders. Der gleitende, federnde Gang war härter, offiziersmäßig brutaler. Härter, entschlossener auch die Wangen, und das reiche, wellende, kastanienbrauneHaar, das er früher, wo es anging, frei getragen hatte, versteckte er jetzt für immer unter strenger Perücke. Älter war, verhärteter der ganze Mann. Die dunkle Stimme hatte ihr Streichelndes, Beredendes verloren; oft gurgelte sie nun, herrisch, widerwärtig, unschön; mauschelnd, sagten die Feinde. Die wölbigen, fliegenden Augen blieben rasch und lauersam, ja, gewöhnlich sogar voll beflissener Ergebenheit; doch, ungewahrt, hatten sie wohl zuweilen ein Stechendes, sehr Giftiges und zähmten mühsam nur ein feindseliges, gelblich dunkles Feuer.
    Schwerer schritt unter ihrem Reiter die Stute Assjadah. Nicht mehr trug sie den glänzenden, angehaßten und doch bewunderten, adlig freien Herrn; eine Last trug sie, einen dumpfen Fronvogt, der an sich selber schleppte, den Feind aller und von allen befeindet.
    Prunkende Feste gab er nach wie vor. Doch diese Feste waren vergiftet und keine Freude für die Gäste. Er liebte es, bei solchem Anlaß dem oder jenem in größter Öffentlichkeit in der Komödie oder sonstwie wohlzielende, herzkränkende Bosheiten zu sagen, das häusliche oder politische Elend eines Geladenen bloßzustellen; er traf sehr gut die Stelle, wo es am wehesten tat, und sehr viele seiner Gäste saßen in nagender, kribbelnder Unrast, ob sie verschont blieben.
    Zu den Frauen war er von einer höhnischen, wegwerfenden Galanterie. Eine Frau hatte es gegeben; mattweiß war ihre Haut, in ihren Augen träumten die Träume der Jahrtausende; sprach sie, dann war die Stimme der Nachtigall Krächzen vor ihrer kleinen Stimme. Jetzt lag sie in Frankfurt, Erde über ihr, Erde unter ihr. Was wollten da die anderen? Sie atmeten, plapperten, lachten und spreizten, redete man ihnen gut zu, die Schenkel. Nun ja, so waren diese: aber die eine hatte gelebt.
    Weißensee war aus seiner tiefen Verwirrung und Ratlosigkeit aufgetaucht, schnupperte an Süß herum. Hier gor etwas herauf, in diesem ungeheuren, maßlosen Mann, der anders war als alle anderen, schwelte etwas gar, eine grandiose, prasselnde,tausendfarbige Katastrophe. Der war nicht wie er, der war nicht der Mann, sich zu krümmen und stillezuhalten. Wollüstig schon in der Erwartung roch der Konsistorialpräsident den Schwefelgeruch des Ausbruchs, und nur die Gier, ihn mitzuerleben, hielt den Ausgehöhlten aufrecht.
    Und des Süß herausfordernder Übermut wuchs. Er gab sich offen wie der Herr des Landes, scheute keine Grenze.
    In diese Zeit fiel auch die Affäre des jungen Michael Koppenhöfer. Dieser Fall lag so:
    Nach zweijähriger Studienreise durch Flandern, Frankreich, England war der junge Mensch, Neffe des Professors Johann Daniel Harpprecht, verwandt auch mit Philipp Heinrich von Weißensee, in die schwäbische Heimat zurückgekehrt, um als Aktuarius in herzoglich württembergischen Dienst zu treten. Sehr groß, bräunliche, kühne Wangen, starkblaue Augen unter dunklem Haar, sah der Dreiundzwanzigjährige aus wie ein Bruder Magdalen Sibyllens. Der Jüngling hatte von seiner Reise stürmische Ideen mitgebracht von menschlicher Freiheit und menschlicher Verantwortung, einen wilden Haß gegen jede Despotie; alle die jungen, märzlich

Weitere Kostenlose Bücher