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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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tun. Hüten wird er sich. Eingraben in aller Stille wird er sein Mädchen und das Maul halten. Und die mit ihm waren, Weißensee und die anderen, item. Aus sein wird die Affäre, tot und stumm und begraben, und Schluß. Ex, ex, ex!
    Er wird also … Nein, er wird nicht. Soll er sich etwa davonmachen? Hoho! Das könnte ja aussehen, als hätte er Angst vor dem Juden. Wecken wird er die Domestiken, einen Reitenden wird er dem Süß schicken, ihn abwarten hier, ihm sagen: Nette Historien stellst du an, du Filou! Da findet man dein Mädel, im Wind, tot. Hättest du sie nicht versteckt, du Jud, du Heimlicher, du Heimtückischer, hättest du sie nach Stuttgart gebracht, nie wäre das arriviert.
    Ein großer Schlag und ein dickes Unwetter mußte das ja sein für den Juden. Das verfluchte, unheimliche, rätselvolle Pack! Erst zwang er einen in die Lächerlichkeit und das Unbehagen mit dem Eßlinger Handel hinein. Und auf einmal hatte er dann dieses sonderbare Kind, und wie man es anfassen wollte, war es tot. Die Geschichte wäre nie aus und ex gewesen, auch wenn er jetzt einfach wegginge und nach Stuttgart zurückführe und niemals jemand ein Wort darüber spräche. Das Gesicht dieses Kindes war schwerer zu vergessen als tausend tote, verzerrte, zerstümmelte Soldatengesichter. Er rief sich das Gesicht des Juden zurück, sehr weiß mit den roten, kurzen, üppigen Lippen, den fliegenden, wölbigen Augen. Mattweiß war es wie das Gesicht des Kindes. Wie sich der Kerl gleich zuerst an ihn herangemacht hatte, in ihn hereingeschlüpftwar mit seinem verfluchten, sklavischen, orientalischen Hundeblick. Freilich, wenn man es durchdachte, war damals nicht viel aus ihm herauszuholen gewesen. Ein kleiner Prinz, dem nicht einmal das Parlament die paar Batzen Vorschuß verwilligte, groß Kapital und Zins war aus dem nicht herauszuschlagen. Und wenn es schließlich auch anders ging und der Süß sein Vertrauen sich mit Wucher bezahlen ließ, gut war ihm zum Ende das Geschäft doch nicht bekommen. Wenn ihm schon an dem Juden Jecheskel soviel lag, mußte ihm wohl das Kind, das zärtlich gehütete, noch viel mehr sein. Und da lag es jetzt auf dem Boden, ein Häuflein Würmerfraß, und lag im Wind und war tot.
    Los sein! Den Juden los sein! Er wird ihm aufsagen. Er soll sein ganzes Vermögen und Gold und Edelsteine und Verschreibungen, und was er sich alles aus dem Land ergaunert hat, mit sich nehmen, ungehindert. Er wird ihm noch ein riesiges Douceur zulegen. Aber fort soll er! Gehen soll er!
    Nein, er soll doch nicht gehen. Das wäre, als hätte er ein übles, drückendes Gefühl bei seinem Anblick. Er wird ihm doch nicht aufsagen.
    Aber Schluß jetzt! Er wird sich das später überlegen. Jetzt wird er sich, Teufel noch eins!, schlafen legen. Er ging ans Tor, pochte laut, brutal. Wies dem öffnenden, verschlafenen, mürrischen alten Diener die Leiche. Ging ohne weitere Erklärungen an dem Versteinerten vorbei. Das tierhafte Gestöhn des Alten, das Gewinsel, Gezeter, Gelalle der aufgelösten Zofe. Karl Alexander kümmerte sich um nichts, ging ins Haus, hatte für die zaghaften Vorstellungen des Neuffer, der sich in dem verzauberten Haus mit der Toten ängstigte, nur eine zornige Grimasse. Warf sich in den Kleidern auf eine Ottomane. Schlief röchelnd, schnarchend, totenhaft tief.
    Als er erwachte, strahlte klarer Tag ins Zimmer. Er fühlte sich steif und schmutzig. In einer Ecke, eingenickt, kauerte der Neuffer. Karl Alexander streckte sich. Ah, er wird jetzt das unbehagliche Haus verlassen, nach Hirsau zurückkehren, inden bequemen Räumen des Weißensee baden, gut frühstükken. Den Juden abwarten, ihm auf die Schulter klopfen, ein paar fürstlich huldvolle Trostworte sagen. Und damit war dann diese Jagdpartie erledigt, und es war nur schade, daß sie nicht so angenehm endigte, wie sie anging. Er trat hart auf, daß der Neuffer aus dem Schlaf schrak und sich aufrappelte. Ging dann, bis der sich zurechtmachte, in die Studierstube. Da lag die Tote, die Fenster waren verhängt, große Lichter brannten, auch das magische Bild des himmlischen Menschen war verhängt. Zu Häupten des Mädchens aber stand Rabbi Gabriel. Über der platten Nase die trübgrauen Augen hoben sich nicht, als der Herzog eintrat. Der Rabbi fragte nichts, forschte nichts. Mit seiner knarrenden, mißlaunigen Stimme sagte er: »Gehen Sie, Herr Herzog!« Und der Herzog, betreten, ging. Er zürnte nicht, es war eine große Dumpfheit und Benommenheit über ihm, er verließ das

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