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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verlorenen Jagdhaus. Er wollte Ruhe haben, sich auslüften. Er schickte einen Läufer um den Geheimrat Schütz, mit dem wollte er die Affäre in aller Ruhe nochmals durchsprechen.
    Ein altes Weib?
    Noch auf dem Weg nach Neßlach schickte er auch denzweiten Jäger fort. Die neue, blutjunge, ungarische Tänzerin, die vor acht Tagen in Ludwigsburg eingetroffen war, soll ungesäumt ins Jagdhaus fahren. Donner und Türken! Er wird sich den preußischen Besuch vom Leib spülen.
    Der herzoglich württembergische Hoffaktor Isaak Simon Landauer war in Rotterdam gewesen, wo er auf Rechnung des kurpfälzischen Hofes gewisse Kreditgeschäfte mit der niederländisch-ostindischen Gesellschaft geregelt hatte. Von Rotterdam berief ihn ein Eilbote der Gräfin Würben dringlich zurück nach Wildbad zur Gräfin. Unterwegs hatte er einen Geschäftsfreund getroffen, Josef Süß Oppenheimer, kurpfälzischen Oberhof- und Kriegsfaktor, zugleich Kammeragenten des geistlichen Kurfürsten von Köln. Josef Süß, der eine Reihe aufregender und anstrengender Geschäfte hinter sich hatte, wollte sich in irgendeinem Badeort ausruhen und ließ sich von Isaak Landauer leicht bestimmen, mit nach Wildbad zu gehen.
    Die beiden Männer fuhren in dem eleganten Privatreisewagen des Süß. »Kostet mindestens seine zweihundert Reichstaler jährlich, der Wagen«, konstatierte mit gutmütiger, leicht spöttischer Mißbilligung Isaak Landauer. Hintenauf saß des Süß Leibdiener und Sekretär, Nicklas Pfäffle, ehemaliger Notariatsgehilfe, ein blasser, fetter, phlegmatischer Mensch, den er in Mannheim während seiner Tätigkeit in der Kanzlei des Advokaten Lanz kennengelernt hatte und den er, den Vielverwendbaren, seither für seine persönlichen Dienste auf alle Reisen mitnahm.
    Isaak Landauer trug jüdische Tracht, Schläfenlocken, Käppchen, Kaftan, schütteren Ziegenbart, rotblond, verfärbt. Ja, er trug sogar das Judenzeichen, das ein Jahrhundert vorher im Herzogtum eingeführt war, ein Jagdhorn und ein S darüber, trotzdem keine Behörde daran gedacht hätte, von dem angesehenen, mächtigen Mann, der bei dem Herzog und der Gräfin groß in Gunst stand, dergleichen zu verlangen. Isaak Landauer war der geschickteste Geldmann im westlichenDeutschland. Seine Verbindungen reichten von den Wiener Oppenheimer, den Bankiers des Kaisers, bis zu den Kapitalisten der Provence, von den reichen Händlern der Levante bis zu den jüdischen Kapitalisten in Holland und den Hansestädten, die die Schiffahrt nach Übersee finanzierten. Er lehnte in unschöner, nicht natürlicher Haltung im Polster zurück und barg, der unansehnliche, schmutzige Mann, fröstelnd die magern blutlosen Hände im Kaftan. Leicht schläfrig vom Fahren, die kleinen Augen halb geschlossen, beobachtete er mit gutmütigem, kleinem, ein wenig spöttischem Lächeln seinen Gefährten. Josef Süß, stattlich, bartlos, modisch, fast ein wenig geckenhaft gekleidet, saß aufrecht, besah, den Blick rastlos, scharf, rasch, jedes Detail der Landschaft, die noch immer in feinem Regen wie hinter einem Schleier lag.
    Isaak Landauer schaute mit wohlwollendem Interesse und amüsiert den Kollegen auf und ab. Den elegant geschnittenen hirschbraunen Rock, silberbordiert, aus allerfeinstem Tuch, die zierlich und präzis gekrauste und gepuderte Perücke, die zärtlich gefältelten Spitzenmanschetten, die allein ihre vierzig Gulden mochten gekostet haben. Er hatte immer ein Faible für diesen Süß Oppenheimer gehabt, dem die Unternehmungslust und die Lebgier so unbändig aus den großen, rastlosen, kugeligen Augen brannte. Das also war die neue Generation. Er, Isaak Landauer, hatte unendlich viel gesehen, die Löcher der Judengasse und die Lustschlösser der Großen. Enge, Schmutz, Verfolgung, Brand, Tod, Unterdrückung, letzte Ohnmacht. Und Prunk, Weite, Willkür, Herrentum und Herrlichkeit. Er kannte wie nur ganz wenige, drei, vier andere im Reich, den Mechanismus der Diplomatie, übersah bis ins kleinste den Apparat des Kriegs und des Friedens, des Regiments über die Menschen. Seine zahllosen Geschäfte hatten ihm das Auge geschärft für die Zusammenhänge, und er wußte mit einem gutmütigen und spöttischen Wissen um die feinen, lächerlichen Gebundenheiten der Großen. Er wußte, es gab nur eine Realität auf dieser Welt: Geld. Kriegund Frieden, Leben und Tod, die Tugend der Frauen, die Macht des Papstes, zu binden und zu lösen, der Freiheitsmut der Stände, die Reinheit der Augsburgischen Konfession, die

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