Judith McNaught
er
es von dem Moment an gewußt, wo sie im Morgenmantel mit der goldenen
Vorhangschnur und mit dem Handtuch über dem Kopf vor ihm gestanden und ihn an
die barfüßige Madonna erinnert hatte – eine Madonna mit einem entsetzlichen
Problem. »Meine Haare – sie sind rot!«
Nein, dachte Stephen, er hatte sogar
schon vorher etwas für sie empfunden ... schon an dem Morgen, als er neben
ihrem Bett aufgewacht war und sie ihn gebeten hatte, ihr Gesicht zu
beschreiben. Er hatte in diese faszinierenden grauen Augen geblickt und soviel
Mut und Sanftheit darin gesehen. Damals hatte es angefangen und sich dann durch
alles, was sie sagte oder tat, verstärkt. Er liebte ihren respektlosen Witz,
ihre Intelligenz und ihre ungekünstelte Wärme gegenüber jedem, dem sie begegnete.
Er liebte das Gefühl, sie in den Armen zu halten, und den Geschmack ihrer
Lippen. Er liebte ihr Temperament, ihr Feuer und ihre Sanftheit. Und vor allem
ihre Aufrichtigkeit.
Nach einer Jugend, in der er von
Frauen umgeben gewesen war, die ihre Habgier hinter einladendem Lächeln und
ihren Ehrgeiz hinter verführerischen Blicken verbargen, und die vorgaben,
Leidenschaft für einen Mann zu empfinden, obwohl die einzige Leidenschaft,
derer sie fähig waren, Besitzgier war, hatte Stephen Westmoreland endlich eine
Frau gefunden, die nur ihn wollte.
Und er fühlte sich so verdammt
glücklich, daß er sich nicht entscheiden konnte, was er ihr zuerst kaufen
sollte. Juwelen, beschloß er, während er innehielt, um seinen Einsatz zu bestimmen.
Kutschen, Pferde, Roben, Pelze, aber zuerst einmal Juwelen ... Großartige
Juwelen, die ihr hinreißendes Gesicht betonten, und weitere, um sie in ihre
glänzenden Haare zu flechten. Roben verziert mit ... Perlen! beschloß Stephen
innerlich lachend, wobei er sich an ihren lustigen Kommentar über das Kleid
der Countess of Evandale erinnerte. Eine Robe, bestickt mit dreitausend und
einer Perle. Sherry hatte offenbar nicht so großes Interesse an Kleidern, aber
diese besondere Robe würde ihrem Sinn für Humor entsprechen, und sie würde sie
mögen, weil er sie ihr geschenkt hatte.
Weil er sie ihr geschenkt hatte ...
Er wußte, daß sie so empfinden
würde, so sicher, wie er wußte, daß Sherry ihn wollte. Von dem Augenblick an,
als sein Mund ihre Lippen berührt und gefühlt hatte, wie sie bebten, und als
ihr Körper sich instinktiv enger an seinen gedrängt hatte, hatte er gewußt,
daß sie ihn wollte. Sie war zu unerfahren, um ihre Gefühle zu verbergen, zu
ehrlich, um etwas vorzutäuschen.
Sie wollte ihn, und er wollte sie.
In wenigen Tagen würde er zum ersten Mal mit ihr ins Bett gehen, und dann würde
er ihr die Freuden des »Besitzens« beibringen.
Jason Fielding rief ihn beim Namen,
und Stephen blickte auf. Er stellte fest, daß alle auf seinen Einsatz warteten,
und so warf er noch mehr Chips auf den Haufen in der Mitte des Tisches.
»Das hast du bereits gewonnen«,
näselte Jason amüsiert. »Möchtest du es nicht lieber erst einmal wegräumen,
damit du einen hübschen neuen Stapel von unserem Geld gewinnen kannst?«
»Wo auch immer du mit deinen Gedanken
sein magst, Stephen«, bemerkte Jordan Townsende und musterte ihn neugierig,
»es muß dort verdammt fesselnd sein.«
»Eben hast du einfach durch mich
hindurchgesehen«, fügte Jason Fielding hinzu und begann, Karten auszuteilen.
»Mein schlimmstes Erlebnis seit Jahren.«
»Stephen denkt wirklich an etwas
äußerst Spannendes«, scherzte Clayton.
Er hatte den Satz kaum
ausgesprochen, als William Baskerville, ein Junggeselle mittleren Alters, sich
an ihren Tisch gesellte, eine zusammengefaltete Zeitung in der Hand, und müQig
ihrem Spiel zusah.
Da Stephens Werbung um Sherry morgen
schon in aller Munde sein würde und bis Ende der Woche alle von seiner
Verlobung erfahren hätten, sah Stephen keinen Grund, seine Gedanken zu
verheimlichen. »In der Tat ...«, begann er, als ihm plötzlich einfiel, er müsse
einmal auf die Uhr schauen. Drei Stunden waren bereits vergangen. »Ich komme zu
spät!« rief er aus. Verblüfft sahen die anderen zu, wie er seine Karten auf den
Tisch legte und abrupt aufstand. »Wenn ich vor elf nicht bei Almack's bin, sind
die verdammten Türen geschlossen!«
Drei verwirrte Männer sahen ihm
nach, wie er eilig aus dem Club stürmte – und das offenbar, um sich an einen
Ort zu begeben, in den kein kultivierter oder reifer Mann freiwillig jemals
einen Fuß setzte, und schon gar nicht mit einer solchen Eile. Der Gedanke,
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