Judith McNaught
daß
Stephen Westmoreland aus freien Stücken den dortigen Ballsaal voller errötender
junger Mädchen betrat, die frisch von der Schulbank kommend nur eines im Kopf
hatten, nämlich, einen passenden Ehemann zu ergattern, war höchst lächerlich.
Baskerville fand als erster die Sprache wieder. »Mein Gott!« stieß er hervor
und sah entgeistert in die Runde. »Sagte Langford, er müsse zu Almack's?«
Der Marquess of Wakefield wandte
widerstrebend seinen amüsierten Blick von der Tür ab und blickte die anderen
an. »Das habe ich jedenfalls so verstanden.«
Der Duke of Hawthorne nickte und
sagte trocken: »Ich habe nicht nur verstanden, daß er Almack's sagte, sondern
ich habe auch gemerkt, daQ er es ziemlich eilig hatte, dorthin zu gelangen.«
»Wenn er Glück hat, kommt er auch
lebend wieder heraus«, witzelte Jason Fielding.
»Und als Junggeselle«, stimmte
Jordan Townsende grinsend zu.
»Der arme Teufel!« sagte Baskerville
düster. Kopfschüttelnd ging er zu ein paar Bekannten am Hasardtisch, um ihnen
die höchst interessante Mitteilung zu machen, daß der Earl of Langford eilig
aufgebrochen sei, um noch in den »Heiratsmarkt« hineinzukommen, bevor die Türen
geschlossen wurden. Die allgemeine Meinung unter den Hasardspielern, die auf
langen Tischen mit hohen Holzrahmen würfelten, war, daß Stephen damit dem
letzten Wunsch einer dahinscheidenden Großtante entsprach, wegen irgendeines
jungen Mädchens, mit dem die Sterbende verwandt war, bei Almack's aufzutauchen.
An den mit grünem Filz bezogenen
Farotischen, wo die Herren Einsätze darauf abgaben, welche Karte der Geber mit
dem Bild nach oben aus einer Kiste ziehen würde, herrschte die Meinung vor, der
arme Earl of Langford habe eine Wette verloren, und müsse deshalb zur Strafe
einen Abend im Almack's verbringen.
Die Herren, die Roulette spielten
und auf die Zahlen setzten, die wahrscheinlich herauskommen würden, wenn das
Rouletterad zum Stillstand kam, erklärten übereinstimmend, Baskerville sei taub
geworden.
Die Whistspieler, die sich auf die
Karten konzentrierten, die sie gerade in der Hand hielten, waren der Meinung,
Baskerville habe den Verstand verloren.
Aber so unterschiedlichen Meinungen
die Clubmitglieder auch anhängen mochten, die Reaktion war bei allen dieselbe:
Belustigung. In allen Räumen des Strathmore wurde die gedämpfte Atmosphäre
wiederholt von schallendem Gelächter und herzhaften Heiterkeitsausbrüchen
gestört, als von Mitglied zu Mitglied und von Tisch zu Tisch die Information
weitergegeben wurde, daß Stephen Westmoreland, Earl of Langford, heute abend
zu Almack's gegangen war.
Zweiunddreißigstes Kapitel
Fünf Minuten nach elf ging Stephen eilig an zwei
betrübten jungen Stutzern vorbei, die zu ihren Kutschen zurückkehrten, nachdem
Lady Letitia Vickery sie nicht eingelassen hatte, weil sie zu spät gekommen
waren. Die Schirmherrin wollte gerade die Tür wieder schliefen, als Stephen
laut und warnend ausrief: »Letty, wag es bloß nicht, mir die verdammte Tür vor
der Nase zuzuschlagen!«
Empört blinzelte sie in die
Dunkelheit hinter dem beleuchteten Eingang. »Wer auch immer Sie sein mögen,
Sie kommen zu spät.«
Stephen schob seinen Fuß in die Tür,
um sie aufzuhalten. »Ich glaube, du solltest einmal eine Ausnahme machen.«
Ihr geringschätziges Gesicht tauchte
in dem Lichtstrahl zwischen Rahmen und Türkante auf. »Wir machen keine
Ausnahmen, Bursche!« Dann erkannte sie ihn, und ihre ei sige, hochmütige Miene
wurde kurzfristig von komischer Ungläubigkeit erschüttert. »Langford, bist du
das?«
»Natürlich bin ich das, mach jetzt
die Tür auf«, befahl Stephen seelenruhig.
»Du kannst nicht mehr reinkommen.«
»Letty«, erklärte er mit erzwungener
Geduld, »ich möchte dich nur ungern an Zeiten erinnern, wo du mich an weniger
passenden Orten als diesem empfangen hast – und das, obwohl dein armer Gatte
praktisch in Hörweite war.«
Sie öffnete die Tür, stellte sich
aber in die Öffnung. Stephen erwog einen Augenblick lang, sie einfach bei den
Schultern zu packen und aus dem Weg zu räumen, aber sie flehte ihn flüsternd
an: »Stephen, um Gottes Willen, sei doch vernünftig! Ich kann dich nicht
hereinlassen. Die anderen Schirmherrinnen reißen mir den Kopf ab!«
»Sie werden dir die Füße küssen,
weil du in meinem Fall eine Ausnahme gemacht hast«, erwiderte er leise. »Denk
doch nur daran, was für einen Zulauf ihr morgen haben werdet, wenn es bekannt
wird, daß ich mich zum ersten Mal seit
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