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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Legenden der Liebe
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halbleeres Glas, und
als Stephen sich im Zimmer umblickte, stellte er fest, daß es sich seit seiner
Ankunft beträchtlich gefüllt hatte.
    Während Clayton mit hochgezogenen
Augenbrauen auf eine Außerung wartete, lehnte sich Stephen in seinem Sessel zurück
und überdachte zum letzten Mal die Entscheidung, die er getroffen hatte, und
wie wünschenswert es war, daß er sofort handelte. Da er genau dies tun wollte,
sah er nur die Vorteile der Eile und ignorierte jeden Nachteil. »Ich würde mich
lieber unterhalten«, sagte er. »Ich bin nicht in der Stimmung zum
Kartenspielen.«
    »Das habe ich schon bemerkt. Und es
ist auch Wakefield und Hawthorne aufgefallen, die uns, während du in Gedanken
verloren warst, aufgefordert haben, uns ihnen anzuschließen.«
    »Ich habe gar nicht gemerkt, daß sie
hier sind«, gab Stephen zu und blickte über die Schulter nach den beiden Freunden,
die er, ohne es zu wollen, beleidigt hatte. »Wo sind sie denn?«
    »Sie pflegen ihre gekränkte
Eitelkeit am Farotisch.«
    Trotz seiner beiläufigen Art war
sich Clayton sehr bewugt, daß Stephen in Gedanken etwas äußerst Wichtigem nachhing.
Geduldig wartete er eine Weile auf eine Erklärung und sagte schließlich:
»Schwebt dir ein bestimmtes Gesprächsthema vor, oder soll ich eins
vorschlagen?«
    Anstatt einer Antwort griff Stephen
in seine Tasche und zog den Brief hervor, den der Anwalt von Charises Vater geschickt
hatte. »Im Augenblick schwebt mir dieses Thema vor«, erwiderte er und reichte
seinem Bruder den Brief, zusammen mit dem bescheidenen Scheck, der beigelegen
hatte.
    Clayton entfaltete den Brief und
begann zu lesen.
    Liebe
Miss Lancaster,
    ich schicke diesen Brief an Ihren
Gatten, damit dieser Sie auf die Nachrichten, die dieser Brief enthält,
vorbereiten kann.
    Mit tiefer persönlicher Anteilnahme
muß ich Ihnen den Tod meines Freundes, Ihres Vaters, anzeigen. Ich war bei ihm
bis zu seinem Ende, und ich muß Ihnen zu Ihrem eigenen Nutzen berichten, daß er
Bedauern über seine zahlreichen Fehler in Ihrer Erziehung ausdrückte,
einschließlich der Tatsache, daß er Sie verwöhnt hat, indem er Ihnen alles und
zuviel von allem gegeben hat.
    Er wollte, daß Sie die besten
Schulen besuchen und eine brillante Ehe eingehen. Alle diese Ziele hat er
erreicht, aber weil das so war, und weil er Ihnen eine so große Mitgift mitgab,
mußte er buchstäblich alles, was er besaß, flüssig machen und den Rest mit
Hypotheken belasten. Der Scheck, den ich beigelegt habe, stellt den vollen Wert
seines Vermögens, soweit es mir bekannt ist, dar.
    Ich weiß, daß Sie und Ihr Vater in
vielen Dingen nicht übereinstimmten, Miss Lancaster, ich hege jedoch die große
Hoffnung – so wie er –, daß Sie eines Tages seine Bemühungen für Sie schätzen
werden und das Beste aus Ihren Möglichkeiten machen. Wie Sie war auch Cyrus
eigensinnig und heißblütig. Vielleicht liegt es an dieser Ähnlichkeit, daß Sie
beide nie zu einem besseren Verständnis füreinander gelangt sind.
    Vielleicht bewirkt die Entfremdung
im Augenblick, daß Sie die Nachricht von seinem Tod besser ertragen, als es
sonst der Fall gewesen wäre. Wahrscheinlich werden Sie eines Tages ein tiefes
Bedauern verspüren, wenn Sie merken, daß es zu spät ist, um die Dinge zu tun
und zu sagen, die die Kluft zwischen Ihnen verringert hätten.
    In seinem Wunsch, Ihnen solche
schmerzlichen Gedanken zu ersparen, hat Ihr Vater mich angewiesen, Ihnen zu
sagen, daß er sie liebte, obwohl er es vielleicht nicht gezeigt hat, und
wenngleich auch Sie es ihm nie zeigten, ist er in dem Glauben gestorben, Sie
liebten ihn auch.
    Als er mit der Lektüre fertig war, gab Clayton
den Brief zurück, wobei sein düsterer Gesichtsausdruck die gleiche Anteilnahme
und Sorge zeigte, die Stephen für Sherry empfand – und die gleiche Verwirrung
über einiges, was er gelesen hatte. »Tut mir leid wegen ihres Vaters«, sagte
er. »Sie hat wirklich eine ziemliche Pechsträhne. Obwohl es wahrscheinlich ein
Glück ist, daß sie sich nicht so nahestanden.« Nach kurzem Zögern runzelte er
die Stirn und fügte hinzu: »Was hältst du von dem Ton des Anwalts? Die junge
Frau, an die er sich in diesem Brief wendet, scheint mir eine ganz andere als
die, die ich bisher kennengelernt habe.«
    »Ganz meine Meinung«, bestätigte
Stephen. »Abgesehen von ihrer Willensstärke und ihrem Temperament«, korrigierte
er sich mit einem schiefen Lächeln. »Ich kann mir nur vorstellen, daß ihr
Vater – und auch sein Anwalt –

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