Jürgen Klopp: Echte Liebe
von dem, was Klopp in Mainz war und noch immer ist. »Gut?«, fragt er am Ende, »ja, Herr Heidel, gut«, sage ich.
Mit Weiland verquatsche ich mich so, dass ich fast den Bus verpasse, der mich zum Zug bringt, der dann nicht fährt. Wir landen bei Iniesta und Xavi, da kann man nicht so einfach aufhören, außerdem ist der Latte macchiato im Café Raab gut. Weiland überlegt, wie er die A-Lizenz, eventuell die Fußballlehrer-Lizenz, und das Studium unter einen Hut bekommt. Da ist etwas in ihm, das will Trainer werden, hoffentlich lässt er es raus.
Wie gut es damals war, ist Weiland heute klar. Erst wenn man nicht mehr drin steckt, bis zum Hals, fängt der Kopf zu überlegen an. Wenn Weiland herausfindet, was gut war bei Klopp, wird das auch denen etwas bringen, die er mal trainiert. Und so geht das dann immer weiter.
Der Aufstieg des FSV Mainz 05 im Jahr 2004 war hart erkämpft. Ziemlich langer Weg bis dahin. Zweimal hintereinander waren die Mainzer gescheitert, dünn und hauchdünn. Zweimal rappelten sich die Stadt und ihr Klub wieder auf. Hätte die Stadt, hätten die Fans, nicht jeden neuen Anlauf mitgemacht, wäre es nicht gegangen. Die Mainzer »Stehaufmännchen«. Klopp gelang es, Motivation aus dem Scheitern zu ziehen, die Spieler glaubten daran, dass es irgendwann klappt. Und als die Chancen am schlechtesten waren, kam der Aufstieg. Drei Spielzeiten später stieg Mainz aus der Bundesliga ab und ohne Klopp wieder auf.
von Roger Repplinger
Knapp
Am 5. Mai 2002 spielt in Berlin, in der Alten Försterei, der FSV Mainz 05 gegen Union Berlin. Es ist das letzte Spiel der Saison. Mainz braucht einen Punkt, um in die Erste Liga aufzusteigen. Zwei Chancen, diesen Punkt zu holen, hatte Mainz unter Trainer Jürgen Klopp schon vergeben. In Duisburg und zu Hause gegen die SpVgg Greuther Fürth. »Fürth!«, sagt der Mainzer Trainer, »Fürth!!« Gegen die klappt nie was. In beiden Spielen hatte es Spielstände gegeben, da war Mainz durch, am Ende reichte es nicht. Auch nicht gegen Berlin. Ein Journalist des Berliner Kurier hatte mit erfundenen Zitaten die Stimmung gegen Klopp und Mainz angeheizt.
Mainz verliert mit 1:3 gegen Union, der VfL Bochum steigt nach einem Sieg gegen Alemannia Aachen auf. Klopp bricht vor dem Interview mit dem ZDF zusammen und heult. Bei der offiziellen Pressekonferenz sagt er: »Ich will nicht weiter lamentieren. Wir hätten es hier regeln können, wir haben es nicht getan. Wir haben unseren Anhängern den größten Wunsch nicht erfüllt. Aber wir werden es wieder versuchen.« Und später: »Ich habe in Berlin geheult wie noch nie in meinem Leben. Doch so, wie ich leiden kann, kann ich mich auch freuen. Von mir aus kann es morgen wieder losgehen. Wir werden die begonnene Entwicklung vorantreiben.«
Knapper
Wieder Mai, diesmal ist es der 25., ein Sonntag, im Jahr 2003. Das letzte Spiel der Saison, diesmal in Braunschweig. In der vergangenen Saison fehlte ein Punkt, diesmal ein Tor. Knapper geht es nicht. Mainz gewinnt gegen Eintracht Braunschweig mit 4:1. Als das Gegentor fällt, denkt sich keiner was dabei. Mainz lässt zahlreiche Chancen liegen. Eintracht Frankfurt erzielt in der Nachspielzeit das entscheidende 6:3 gegen Reutlingen. Mainz und Frankfurt haben 62 Punkte, die um ein Tor bessere Tordifferenz entscheidet für die Eintracht. Torschütze des entscheidenden Frankfurter Tores ist Alexander Schur, ein Freund Klopps, mit dem er bei Rot-Weiß Frankfurt unter Dragoslav Stepanovic gespielt hat.
Das Spiel in Braunschweig ist schon aus, Mannschaft und Trainer stehen auf dem Rasen, die Arme um die Schultern gelegt, als die Nachricht von Schurs Tor eintrifft. Andrey Voronin tröstet seinen Trainer, der tröstet ihn, Klopp rennt in die Kabine, Christof Babatz bekommt einen Weinkrampf. Klopp, 36 Jahre alt, bricht erst in Tränen aus, als ihn sein Sohn im Kabinengang fragt, ob er am nächsten Tag in die Schule gehen muss. »Da habe ich losgeheult«, sagt er.
In der Pressekonferenz erklärt Klopp: »Ich glaube nicht an den Fußballgott, nur an den richtigen. Ich glaube daran, dass alles im Leben für etwas gut ist. Irgendwann werde ich erfahren, für was das hier heute gut war.« Auf der Rückfahrt feiern die Spieler trotzig mit Bier, Polonaise und Liedgut: »Nie mehr Zweite Liga.« Am nächsten Tag, vor dem Staatstheater, Tausende beklatschen die Mannschaft, sagt Klopp: »Gestern hab ich mir ja noch überlegt, für was das alles gut ist, und mir ist eingefallen, für was: Irgendjemand hat
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