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Jugend

Jugend

Titel: Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Conrad
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auf dem Dampfer sehr bald, daß die Trosse los war. Sie gaben einen langen Warnton mit der Dampfpfeife, man sah, wie die Seitenlichter einen weiten Kreis beschrieben; dann kam der Dampfer dicht längsseits und stoppte. Wir standen alle eng zusammengedrängt auf der Poop und schauten hinüber. Jeder hatte ein kleines Bündel oder einen Seesack gerettet. Plötzlich schoß auf dem Vorschiff eine kegelförmige Flamme mit spiralig gewundener Spitze hoch und warf einen Lichtkreis auf das schwarze Meer, in dessen Mittelpunkt die beiden Schiffe Seite an Seite lagen und sanf auf und nieder stampfen. Seit Stunden hatte Kapitän Beard reglos und stumm auf der Gräting gesessen, doch jetzt erhob er sich langsam und trat vor uns an die Besanwanten. Kapitän Nash rief: ›Kommen Sie! Beeilen Sie sich. Ich habe Post an Bord. Ich nehme Sie und Ihre Boote nach Singapore mit.‹
    ›Vielen Dank! Nein!‹ sagte unser Kapitän. ›Wir müssen das Ende des Schiffes abwarten.‹ ›Ich kann mich nicht länger aufalten‹, rief der andere. ›Post – Sie wissen.‹ ›Ja! Ja! Wir kommen schon durch.‹
    ›Also gut! Ich werde Sie in Singapore melden … Auf Wiedersehen!‹
    Er winkte mit der Hand. Unsere Männer ließen still ihre Bündel sinken. Der Dampfer nahm Fahrt auf und entschwand, als er den Lichtkreis verlassen, sogleich unseren Blicken, die von den wütend auflodernden Flammen geblendet wurden. Und da wußte ich, daß ich den Osten zum erstenmal als Kommandant eines kleinen Bootes sehen würde. Ich fand das schön; und auch die Treue gegen das alte Schiff war schön. Wir sollten sein Ende abwarten. Oh, der zauberische Glanz der Jugend! Oh, das Feuer in ihr, blendender als die Flammen eines brennenden Schiffes, das Feuer, das sein magisches Licht über die weite Erde wirf und kühn zum Himmel aufspringt, und das alsbald von der Zeit erdrückt wird, die grausamer, erbarmungsloser, bitterer ist als das Meer – und gleich den Flammen des lodernden Schiffes war es, das Feuer der Jugend, von undurchdringlicher Nacht umgeben.

    Der alte Mann wies uns in seiner sanfen und unbeugsamen Art darauf hin, daß es ein Teil unserer Pflicht sei, so viel von der Ausrüstung des Schiffes, wie wir nur könnten, für die Versicherungsgesellschaf zu retten. Demgemäß machten wir uns achtern an die Arbeit, während vorne das Schiff in Flammen stand und uns reichlich Licht spendete. Wir zerrten eine Menge unnützes Zeug an Deck. Was retteten wir nicht alles? Ein altes Barometer, das mit einer Unmenge Schrauben befestigt war, kostete mich fast mein Leben: ich geriet plötzlich in eine Raucheruption und entkam nur mit knapper Not. Es waren einige Vorräte vorhanden, Segeltuchballen, Taurollen; die Poop glich einem Ausrüstungslager, und die Boote wurden bis zum Dollbord vollgestopf. Man hätte meinen können, der alte Mann wolle so viel von seinem ersten Kommando mitnehmen, wie nur irgend möglich. Er war sehr, sehr ruhig, doch offensichtlich nicht mehr ganz bei Verstand. Ist es zu fassen? Er wollte eine Kettenlänge eines alten Stromankers und einen Warpanker in das Großboot mitnehmen. Wir sagten ehrerbietig: ›Ja, ja, Sir‹, und beförderten diese Dinge insgeheim über Bord. Auch die schwere Arzneikiste ging diesen Weg, zwei Sack grüne Kaffeebohnen, Farbdosen – stellt euch vor, Farbe! – ein ganzer Haufen solchen Plunders. Dann wurde ich mit zwei Matrosen in die Boote geschickt, um alles zu verstauen und dafür zu sorgen, daß sie klar waren, wenn es Zeit wurde, das Schiff zu verlassen.
    Wir brachten alles in Ordnung, setzten den Mast des Großbootes ein, das der Kapitän führen wollte, und ich bedauerte nicht, mich für einen Augenblick setzen zu können. Mein Gesicht fühlte sich wund an, die Glieder schmerzten, als wären sie allesamt gebrochen, ich spürte meine Rippen und hätte geschworen, eine Rückgratzerrung davongetragen zu haben. Die Boote hinter dem Heck lagen in tiefem Schatten, und ringsum konnte ich den Kreis des Meeres sehen, der von der Feuersbrunst beleuchtet wurde. Vorne loderte senkrecht und klar eine mächtige Flamme. Sie flackerte wütend, begleitet bald von Donnergrollen, bald von einem Geräusch wie Flügelschwirren. Man hörte Geknatter und Geknall, und von dem Flammenkegel stoben hoch die Funken auf, da der Mensch nun einmal zur Mühsal geboren ist, zu lecken Schiffen und zu Schiffen, die in Flammen stehen. Was mich ärgerte, war, daß die Boote, da das Schiff quer zur Dünung und dem bißchen Brise,

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