Julia Ärzte zum Verlieben Band 42
Haaren auf dem Fußboden eines kleinen Cottages saß, das zu Schneewittchen und den sieben Zwergen besser gepasst hätte als zu einer von ihrer Karriere besessenen Ärztin? In ihren Armen ein zotteliger Hund … Hundehaare waren ja so etwas von unhygienisch, und Dr. Bartlett war dafür bekannt, dass sie beim Thema Hygiene keinen Spaß verstand. Und hatte sie wirklich Sinn für Humor?
Nein, hätte sie ihm antworten können. Das bin ich nicht. Zumindest nicht während der Arbeit. Sie hatte ein besonderes Geschick darin entwickelt, sich aus persönlichen Gesprächen herauszuhalten. Ihre Patienten waren die besten Ausreden.
Ein Trick, zu dem sie auch am Montagmorgen gegriffen hatte. Anna war unglaublich nervös gewesen, als sie ins St. Piran fuhr. Nur bei dem Gedanken daran, Luke zu sehen, fühlte sie sich wie damals in ihrer Assistenzarztzeit, wenn sie unter den Augen eines einflussreichen Chefarztes ihr Können unter Beweis stellen sollte.
„Guten Morgen, Anna. Wie geht es Ihnen?“
„Danke, gut.“ Sie würde die Frage nicht zurückgeben. Luke war kein Patient.
„Wie geht es …?“
Crash? Sie ahnte, was kommen würde. Natürlich hätte sie Luke liebend gern von ihrem Hund erzählt. Davon, dass Crash gelernt hatte, Platz zu machen, wenn sie es ihm sagte. Davon, dass er auf den Deckel eines Farbeimers getappt war und einen riesigen Pfotenabdruck auf ihrem Holzfußboden hinterlassen hatte. Ein Abdruck, so perfekt, dass sie ihn erst gar nicht wegwischen wollte. Ob sie Luke damit wieder zum Lächeln bringen könnte?
Sie widerstand der Versuchung.
„Mrs Melton?“, unterbrach sie ihn geschickt. „Steht unwiderruflich für heute auf dem Plan, worüber sie sehr glücklich ist. Ich weiß, dass Sie heute Morgen operieren, aber ich würde mich freuen, sie zu übernehmen. Oder zu assistieren.“
„Mein letzter Koronararterien-Bypass ist schon länger her.“ Ihm war anzusehen, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. „Es ist vielleicht keine schlechte Idee, wenn Sie assistieren.“
War das eine Herausforderung? Wollte er sehen, ob sie ihm vertraute, dass er den Eingriff ohne Zwischenfälle über die Bühne brachte? Als sie ihm einen Seitenblick zuwarf, während sie nebeneinander den Flur entlanggingen, bemerkte sie, dass sein dunkles Haar feucht war. Kam er gerade aus der Dusche? Der Gedanke verursachte ein ungewohntes Kribbeln auf ihrer Haut.
Anna atmete tief durch, und dabei stieg ihr ein Duft in die Nase, frisch und sauber, wie eine Meeresbrise. Du meine Güte, Luke ist doch nicht schwimmen gewesen? Mitten im Winter? So verrückt konnte er doch nicht sein!
Sie stöhnte stumm auf. Ihre Sinne spielten ihr Streiche, sodass sie völlig vergessen hatte, auf seine Antwort zu reagieren. Was hatte er noch gesagt? Ach, ja … die Operation an Mrs Melton.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Schwierigkeiten haben werden, die Operation durchzuführen“, erklärte sie ruhig. „Das Einzige, was mir Sorgen macht, ist die Qualität ihrer Beinvenen. Ich hatte daran gedacht, die Saphena parva für den Bypass zu nehmen oder vielleicht Venen der oberen Extremitäten. In dem Fall wäre ich sicher mehr von Nutzen als ein Oberarzt.“
Such’s dir aus, hieß das. Ich stehe zur Verfügung.
Er nickte. „Ausgezeichnet. Haben wir Zeit, uns ihre Aufnahmen anzusehen? Ich möchte mich ihr vorher noch vorstellen und kurz mit ihr sprechen.“
„Natürlich. Ich war sowieso auf dem Weg zur Station.“
Mrs Melton war entzückt, dass der leitende Chefarzt höchstpersönlich sie operieren würde. Sie strahlte Luke an.
Und er lächelte zurück. Anna beobachtete ihn dabei und stellte fest, dass es ein professionelles Lächeln war. Die grimmigen Gesichtszüge glätteten sich und erinnerten sie daran, wie er sie angelächelt hatte. Aber es war längst nicht das Gleiche. Es erreichte seine Augen nicht.
Sie ertappte sich dabei, dass sie ihn immer wieder nachdenklich betrachtete. Sie sah ihn lächeln, wenn er Kollegen begrüßte. Sie sah ihn zufrieden lächeln, wenn er hörte, dass die Genesung eines Patienten gute Fortschritte machte. Manchmal lächelte er sogar sie direkt an. Aber es geschah mehr oder weniger mechanisch, weil es von ihm erwartet wurde oder weil es unhöflich gewesen wäre, nicht zu lächeln.
Anna hätte gern gewusst, woher die düsteren Schatten in seinen Augen rührten. Sie wollte wissen, wer der echte Crash gewesen war, und wieso Luke mehr als sonst von sich preisgegeben hatte, als er von ihm
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