Julia Ärzte zum Verlieben Band 42
leiser Laut ertönte, so als ob jemand zitternd Luft holte.
„J…ja.“
Es war nicht Crash, es war Anna.
Natürlich war sie es, das hatte er doch die ganze Zeit gewusst, oder?
Und sie lebte! „Bist du verletzt?“
„Ich … ich weiß nicht …“
Er brauchte Licht, musste Anna untersuchen, sie hier rausholen und dafür sorgen, dass es ihr gut ging. Alles andere war undenkbar.
Aber als er sich bewegte, wurde ihm schwindlig. Lag der Wagen auf dem Dach?
Luke fand die Taste für den Sicherheitsgurt und löste ihn. Er fiel nicht, also musste der Wagen auf den Rädern stehen. Allmählich wurde sein Kopf wieder klarer.
„Atme tief durch“, sagte er. „So tief du kannst.“
Er lauschte, als sie Luft holte.
„Fällt dir das schwer? Tut dir etwas weh?“
„N…nein …“
„Kannst du deine Arme bewegen? Verdammt, es ist so dunkel, ich kann überhaupt nichts sehen. Tut dir der Nacken weh? Wenn ja, beweg dich nicht.“
Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, er sah, wie sich die Silhouette neben ihm veränderte.
„Es geht …“
Er lehnte sich zu ihr herüber, um sie zu berühren, und stellte fest, dass sie tiefer saß als er. Der Wagen schien sich auf einer Art Böschung zu befinden.
Luke erstarrte.
Ihm war nicht schwindlig, diesmal hatte es nichts mit seinem Kopf zu tun. Das Auto bewegte sich!
Ein Geräusch begleitete das leichte Schwanken: ein leises Knirschen, ein Quietschen wie von Metall auf Stein. Und dann hörte er noch etwas – etwas, das er erst für das Rauschen seines eigenen Bluts in den Ohren gehalten hatte.
Brandungswellen.
Wir waren auf der Küstenstraße, rekapitulierte er stumm, da war ein Zaun. Ein Zaun, der Ackerland begrenzte, oder einer, der zum Schutz errichtet worden war, weil es dahinter steil in die Tiefe ging? Eine felsige Klippe, von der niemand einen Sturz überleben würde?
Vielleicht war es doch ganz gut, dass es so dunkel war, dass er kaum etwas erkennen konnte.
Feuchtkalte Luft drang ins Auto. Entweder fehlte die Fahrertür, oder sie war so zerdrückt, dass der Weg frei war. Sein Überlebensinstinkt riet ihm, den Fluchtweg zu nutzen. Selbst wenn der Wagen halb über der Klippe hing, so könnte Luke sich mit einem Hechtsprung nach draußen retten, sich abrollen und wäre in Sicherheit.
Aber dann war das Gewicht anders verteilt, und der Wagen stürzte vielleicht in den Abgrund.
Mit Anna darin.
Luke wollte lieber sterben, als das zuzulassen.
Das Auto schwankte immer noch, ein Stahlblechkäfig, in dem sie gefangen waren. Das Knirschen zerrte an seinen Nerven.
„Luke? Was … passiert da?“
„Beweg dich nicht“, sagte er sanft. „Gib mir eine Sekunde, ich muss nachdenken.“
Angst packte ihn, hüllte ihn ein wie eine dichte Wolke voller Bilder und Gefühle, die ihn einen Moment lang lähmten. Sie zog ihn weg, hin zu einem Ort, wo er nicht sein wollte.
Nicht sein durfte!
Er roch kein Blut, keinen Rauch und auch keinen Staub. Niemand schrie.
Sie befanden sich in einem Pkw, nicht in einem gepanzerten Militärjeep. Neben ihm saß Anna, nicht Crash.
Warum war es dann genauso wichtig, dass sie am Leben blieb? Crash hatte er geliebt wie keinen anderen Menschen. Für ihn wäre er sogar gestorben.
In Sekundenbruchteilen hatte er begriffen, dass Stille viel schrecklicher sein konnte als jeder Schrei.
Was er jetzt begriff, war genauso klar: Die verwirrenden Gefühle, dass er Crash mit Anna verwechselt hatte, all das war geschehen, weil er sich etwas Wichtiges nicht eingestanden hatte.
Er liebte Anna.
Es war eine andere Liebe als die zu seinem Bruder, aber genauso stark. Nein, stärker noch. Er hatte sich etwas vorgemacht, als er glaubte, dass sie sein Rettungsseil, sein Anker war, ein Werkzeug, damit er seine Zukunft fand.
Sie war diese Zukunft.
„Luke …“ Anna fing an zu weinen. „Rede mit mir, bitte. Bist du verletzt?“
„Nein, mir geht es gut.“ Vorsichtig reckte er den Arm noch ein wenig, gerade genug, um ihre Hand zu umfassen. „Solange es dir gut geht.“
„Was ist passiert?“
„Wir hatten einen Unfall. Ein Lastwagenfahrer hat die Kurve geschnitten, ich musste ausweichen und … Oh, Anna, es tut mir so leid.“
Sie drückte seine Hand. „Schon gut. Wir müssen nur hier raus.“
„Ich weiß nicht, wie sicher der Wagen steht, wir könnten abstürzen.“
„Ich habe Angst.“
„Ich auch, aber wir schaffen es, Anna. Zusammen.“
„Bist du sicher, dass es dir gut geht? Es ist … du weißt schon … nicht wieder so ein
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