Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
genoss.
Josh wurde in einen Raum gezogen, in dem diese Dinge nicht existierten. So intensiv, dass ihm die Luft wegblieb.
Ähnlich wie an jenem Abend auf der Silvesterparty in New York, als er Megan begegnet war. Richtig begegnet war. Als er sich zum ersten Mal verliebte, sich einer Macht ausgeliefert fühlte, die er nicht kontrollieren konnte. Einer Macht, die seine Mutter zur Gefangenen gemacht und ihr unbeschreiblich viel Leid zugefügt hatte.
Wie Schlaglichter blitzten die Momente auf, in denen er erfahren hatte, dass Liebe nur in Verzweiflung endete. Wie bei dem traumatischen Notfall vor vielen Jahren, als Megans Leben am seidenen Faden hing. Als ihr – und sein – Baby nicht überlebte. Als klar war, dass sie nie wieder Kinder bekommen konnte.
Und später, nach der zweiten leidenschaftlichen Nacht mit Megan, weil er kurz danach herausfand, dass er Vater wurde. Es war der schlimmste Augenblick in seinem Leben, als er ihr sagen musste, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten.
Als hätte das Schicksal sie nicht schon genug gequält, musste er sie ein paar Monate später bitten, seine Kinder zu retten. Kinder, die er mit Rebecca gezeugt hatte …
Daddy!
Das Echo der Kinderstimmen holte ihn in die Gegenwart zurück. Die Kinder waren sein Leben. Die Arbeit war sein Leben. So musste es sein, er wollte es so und nicht anders.
Josh widerstand, verhärtete sein Herz gegen die magnetische Kraft, die ihn zu Megan zog. Welch eine Ironie des Schicksals, dass auch seine Mutter hier war, das warnende Beispiel dafür, welchen Schaden bedingungslose Liebe anrichten konnte.
Als er zu seinen Kindern ging, spürte er die Spannung um ihn herum. Es war, als hielten alle im Zimmer den Atem an.
Seine und Megans Geschichte war am St. Piran sicher kein Geheimnis. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass Anna oder Ben von seiner Nacht mit Megan im Dienstzimmer wussten. Oder doch? Im Krankenhaus wurde viel getratscht.
Siedend heiß fiel ihm ein, dass seine Schwester Tasha alles wusste. Wie viel wusste seine Mutter?
Josh wappnete sich mit Professionalität. „Megan … Was für ein Glück, dass du bei meiner Mutter warst. Und vielen Dank, dass du dich um meine Kinder gekümmert hast.“
Er bückte sich, um die Zwillinge abzuschnallen. Allerdings nicht schnell genug, dass ihm entgangen wäre, wie sich Megans Gesichtsausdruck veränderte. Hatte er sie verletzt, weil er sich nur auf seine Familie konzentrierte? Weil er nicht einmal gefragt hatte, wie es Megan ging?
Als er sich wieder aufrichtete, in jedem Arm ein Kind, betrachtete er sie unwillkürlich genauer. Er konnte nicht anders. Sie sah … furchtbar aus. So dünn und blass. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Ihre smaragdgrünen Augen blickten trüb, ausdruckslos.
Es geht dich nichts mehr an, sagte er sich.
Und doch hielt er ihren Blick fest, versuchte, ihr eine stumme Botschaft zu senden. Lass uns reden. Bald.
„Meine Babys …“ Claires schwache Stimme erinnerte ihn daran, dass es Wichtigeres zu tun gab. „Ich möchte ihnen noch einen Kuss geben.“
Megan schlug das Herz bis zum Hals.
Was hatte sie erwartet? Dass alles andere nebensächlich wurde … seine Mutter, seine Kinder, seine Kollegen? Dass Josh sie ansehen würde, als wäre ein lang ersehntes Wunder geschehen? Dass er zu ihr kam, sie in die Arme zog? Sie küsste, verlangend und leidenschaftlich wie beim letzten Mal?
In einem stillen, fast abgekapselten Winkel ihres Herzens hatte sie es wohl gehofft …
Nicht, dass sie es gewollt hätte. Nein, bestimmt nicht. Sie hatte hart daran gearbeitet, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Josh hatte darin keinen Platz mehr.
Er hatte sich genau richtig verhalten, professionell, nahezu kühl. Doch dann, völlig unerwartet, blickte er sie an. Sagte ihr stumm, dass diese Begegnung nicht zählte.
Dass ihr Wiedersehen nach langer Trennung wegen der Umstände aufgeschoben, aber nicht aufgehoben war.
Umstände, die noch ein bisschen chaotischer wurden. Man bereitete Claire für den Transport zur Herzkatheteruntersuchung vor, während Josh ihr die Kinder hinhielt, damit sie sie umarmen konnte. Dabei packte Max eine der EKG-Leitungen, die Elektrode löste sich, und das Gerät schlug Alarm.
Der schrille Ton erschreckte Brenna, die sich daraufhin wie ein verängstigtes Äffchen an ihren Vater klammerte und erst überredet werden musste, ihrer Großmutter einen Kuss zu geben.
Megan stand nur da und hielt sich an den Griffen der Karre fest. Sie konnte ja nicht
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