Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
einfach gehen. Die Kollegen waren alte Freunde. Was mussten Ben und Anna denken, wenn sie verschwand, ohne ein Wort mit ihnen zu wechseln?
Außerdem war sie wie gebannt, während sie Josh beobachtete, hörte, wie er mit seinen Kindern redete. Natürlich wusste sie, dass der unbefangene Tonfall, das beruhigende Lächeln vorgetäuscht waren. Die tiefen Linien um seine Augen verrieten, unter welchem Druck er gerade stand.
Trotzdem sah er genauso atemberaubend aus wie vor zwei Jahren und wie damals, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Sein unwiderstehlicher Charme war unverändert, das unbekümmerte Lächeln, von dem sich Megan damals hatte einfangen lassen, beruhigte jetzt die Zwillinge. Anscheinend war Josh sich mehrmals mit den Fingern durchs Haar gefahren, und zu ihrem Entsetzen ertappte sich Megan dabei, dass sie ihm die schwarze Locke zärtlich aus der Stirn streichen wollte. Und nicht nur das, sie wollte sein Gesicht in beide Hände nehmen, ihn ansehen und …
Megan umklammerte die Plastikgriffe und zwang sich zu einem Lächeln, als Ben sie begrüßte.
„Wir sollten uns bald mal treffen“, sagte er. „Ich bin gespannt, was du in Afrika erlebt hast. Bleibst du länger hier?“
„Ich … weiß es noch nicht“, antwortete sie vage, obwohl sie am liebsten auf der Stelle die Flucht ergriffen hätte.
Sein Pager klingelte, und nach einem Blick auf das Display entschuldigte er sich eilig. Megan wünschte, sie hätte auch einen, der sie irgendwohin rief.
Aber sie konnte nicht gehen. Sie musste Anna erst sagen, dass ihr Hund in Claires Wagen eingeschlossen war. Die Herzchirurgin telefonierte noch, delegierte Aufgaben und Termine, um Zeit für Joshs Mutter zu haben.
Endlich legte sie den Hörer auf und nickte einer der Schwestern zu. Die löste die Bremse an Claires Bett. Es ging los.
„Kommst du mit, Josh?“, wollte Anna wissen.
Ben steckte den Kopf ins Zimmer, schien ihre Frage gehört zu haben. „Wir vertreten dich hier. Ruf mich später an, dann besprechen wir alles Nötige.“ Lächelnd blickte er zu Claire. „Ich besuche Sie nachher auf der Station. Dann wird es Ihnen schon viel besser gehen.“
Josh stand da, auf jeder Hüfte ein Kind.
Megan stand da, hielt noch immer die leere Karre fest.
Als Ben verschwand, glitt Joshs Blick zu Megan.
Annas auch.
Die Zeit schien stillzustehen, die Luft war von knisternder Spannung erfüllt. Josh konnte die Zwillinge nicht mitnehmen. Jeder schien zu erwarten, dass Megan in die Bresche sprang.
Es war zu viel verlangt. Viel zu viel. Josh hatte genug Mitarbeiter, bestimmt fanden sich einige Schwestern, die liebend gern für ihn den Babysitter spielten.
Aber Josh sah sie an, niemand sonst. Es war der gleiche intensive Blick wie vorhin, und er weckte in ihr Erinnerungen an vertraute Momente, daran, dass sie einmal zusammen gewesen waren.
Gedanken wirbelten durcheinander, Gefühle überschwemmten sie, sodass sie kaum Luft bekam. Mit letzter Willenskraft brach Megan den Blickkontakt und sah Anna an. „Crash ist draußen in Claires Wagen“, sagte sie. „Was soll ich mit ihm machen?“
„Ach, herrje …“ Anna biss sich auf die Unterlippe.
„Entschuldige, Liebes.“ Das Überwachungsgerät gab einen Warnton von sich, als Claires Herzfrequenz deutlich anstieg. „Das ist meine Schuld. Ich hatte ihn mit zum Strand genommen, damit die Zwillinge und er sich austoben können, und …“
„Das macht doch nichts.“ Annas Blick ging zum Monitor. „Sei unbesorgt, Claire. Ich regele das schon. Wenn Luke nicht schon weg wäre … er hätte Crash und die Kinder mit zu uns nehmen können.“
„Dann hat er sich entschieden, hinzufliegen?“ Josh ging auf Megan zu, stellte Max ab und setzte Brenna in die Karre. Max drehte sich um und marschierte schnurstracks zurück zu Claires Bett.
„Nicht so schnell, Cowboy.“ Anna schnappte sich den Kleinen und brachte ihn zu seinem Vater zurück. „Ja“, sagte sie dann. „Er ist auf dem Weg nach Neuseeland.“
Megan blinzelte. Neuseeland? Die ganze Situation wurde immer verworrener.
Anna hatte ihren Gesichtsausdruck bemerkt. „Lukes Vater hatte einen Schlaganfall. Keinen schweren, aber seine Mutter ist völlig fertig. Als er letzte Nacht nach Flügen gesehen hat, war noch ein Platz in der Frühmaschine frei. Luke ist um ein Uhr morgens nach London gefahren.“
„Selbstverständlich muss er seiner Mutter beistehen. Ich überlege mir etwas.“ Aber Josh hörte sich ungewohnt mutlos an.
Ob er das Gefühl hat, dass
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