Julia Bestseller Band 142
lieben. Hätte sie es nicht getan, wäre alles beim Alten geblieben, und sie könnten weiter Freunde sein.
10. KAPITEL
„Hier ist ein Brief für dich!“, rief Caroline. Holly bedankte sich und steckte das Couvert schnell in die Tasche. Sie ahnte, woher der Brief kam. Es war die Antwort auf eine Bewerbung für die Stellung einer Praxisschwester in Dorset.
Seit der Nacht mit Mark war ihr Zusammenleben problematisch geworden. Er ging ihr ständig aus dem Weg, machte freiwillig Bereitschaftsdienst, damit er sich nicht zu Hause aufhalten musste, und fuhr früh genug in die Praxis, um nicht mit ihr zusammen frühstücken zu müssen.
Ihre Freundschaft lag in Trümmern, und das ging Holly sehr zu Herzen. In vierundzwanzig Jahren waren sie und Mark nie ernstlich zerstritten gewesen. Und jetzt?
Sie schloss die Tür hinter sich und las den Brief. Man bot ihr ein Vorstellungsgespräch schon in den nächsten Tagen an. Eigentlich hätte sie sich darüber freuen müssen, doch der Gedanke, Mark verlassen zu müssen, lastete schwer auf ihrer Seele. Aber hatte sie eine andere Wahl?
Ehe sie es sich anders überlegte, rief sie Ian an und bat um einen freien Tag am kommenden Donnerstag. Caroline sollte dementsprechend ihre Termine ändern. Keiner von beiden fragte nach dem Grund.
Ihre erste Patientin an diesem Morgen war Anna Watts. „Sie sehen so viel besser aus und Harry auch“, sagte sie, nachdem sie die junge Frau begrüßt hatte.
Anna erzählte ihr, dass das Baby nachts nicht mehr weine und dass sie selbst auch durchschlafen könne. „Ich fühle mich wie neu geboren“, gab sie zu.
Holly sah es ihr an. Das zarte Make-up und die hübsche Frisur bestätigten Annas Worte. „Suchen Sie regelmäßig Dr. Logan auf?“, fragte sie.
Anna nickte. „Er möchte, dass ich die Antidepressiva vorläufig weiternehme, aber in vier Wochen will er das überdenken.“
„Und wie verstehen Sie sich mit Ihrem Mann?“
„Großartig. Wir kommen gut miteinander zurecht, außerdem ist ihm gerade ein neuer Arbeitsplatz angeboten worden.“
„Das sind wirklich gute Neuigkeiten. Was kann ich denn heute für Sie tun?“, fragte Holly.
„Harry hat seine zweite Impfung nicht bekommen, weil er erkältet war. Ich wollte Sie fragen, ob wir dies heute nachholen können.“
„Ja, natürlich. Er bekommt heute dasselbe wie das letzte Mal: Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung und Meningitis C. Und in vier Monaten wiederholen wir das.“
„Ist das nicht ziemlich viel für so ein kleines Baby? Schadet ihm das nicht? Man hört so viel darüber …“
„Ein Baby ist Tag für Tag und überall von Ansteckung bedroht. Heute und morgen besteht vielleicht nicht die Notwendigkeit, Harry impfen zu lassen, aber ohne Impfung riskieren Sie, dass er sich irgendwann eine schlimme Krankheit holt.“
„Ich weiß, dass es eine sehr schwierige Entscheidung ist. Ich werde froh sein, wenn wir das alles hinter uns haben.“
Die nächste Patientin war Helen, die sie am ersten Tag in dieser Praxis behandelt hatte. Aber auf den ersten Blick sah sie, dass das kleine Mädchen sich ziemlich elend fühlte. „Was ist denn passiert?“, fragte sie die Mutter.
„Sie hat schlimme Ohrenschmerzen und hohes Fieber.“ Alison Brown schob das kleine Mädchen in das Sprechzimmer und setzte es auf den nächstbesten Stuhl. „In der Anmeldung sagte man mir, dass die Ärzte heute sehr überlastet seien, deswegen bat ich, wenigstens mit Ihnen sprechen zu können. Ich hoffe, dass Ihnen das recht ist.“
„Aber ja.“ Eine Ohrenuntersuchung war für Holly nichts Neues. „Ich sehe mir schnell einmal das Ohr an, und wenn nötig, rufe ich einen der Ärzte. Hat Helen öfter Ohrenentzündungen?“
„Ja, ziemlich oft. Das erste Mal, als sie zwei Jahre alt war.“
Holly ging in die Hocke und lächelte das Kind aufmunternd an. „Arme Kleine!“, sagte sie, „Ohrenschmerzen sind schlimm, ich weiß. Ich hatte auch welche, als ich klein war. Lässt du mich mal in dein Ohr gucken, Helen? Ich verspreche dir, ganz vorsichtig zu sein.“
Das kleine Mädchen schniefte und kuschelte sich an die Mutter, während Holly das Ohr untersuchte.
„Hätte ich eher kommen müssen?“, fragte die Mutter schuldbewusst. „Helen klagte schon seit ein paar Tagen über Schmerzen, aber ich dachte, sie gehen von allein weg.“
Holly beruhigte sie. „Die meisten Fälle von Ohrenentzündungen sind harmlos und heilen von allein. Aber einige Fälle sind hartnäckig und müssen mit Antibiotika
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