Julia Bestseller Band 142
sitzen sah.
Er trug nun ein dunkles Hemd und eine dünne Hose. Im Schein der untergehenden Abendsonne wirkte er sehr männlich und sexy.
„Setzen Sie sich. Ein Drink? Caipirinha?“
Skeptisch schaute sie auf den frischen exotisch aussehenden Cocktail in seiner Hand. „Besser nicht.“ Sie lächelte Maria an, die in der Nähe bereitstand. „Vielleicht etwas Nichtalkoholisches? Ein Saft wäre schön.“
„Sie wollen wohl nicht die Kontrolle verlieren?“
Grace wartete mit ihrer Antwort, bis der Drink vor ihr stand und sie wieder alleine waren. „Sie sind sehr wütend auf mich, nicht wahr?“ Ihr gefiel die angespannte Atmosphäre nicht. Sie direkt anzusprechen, war bestimmt der beste Weg. „Ich weiß, ich habe Fehler gemacht. Aber das tut jeder, der ein Unternehmen gründet.“
„Tun sie das?“
Er war so selbstbeherrscht. Auf seinem attraktiven Gesicht waren absolut keine Gefühle sichtbar. Sie musterte ihn mit wachsender Hilflosigkeit.
Wie kommunizierte man mit jemandem wie ihm? Einem Mann, der sein Leben über Zahlen und Daten definierte? Hatte er wirklich gar keine Gefühle? Dann fiel ihr seine Scheidung wieder ein. Grace ahnte, dass seine Seele Narben haben musste. Wenn das Leben angriff, hinterließ es Wunden. Das wusste sie. Hatte er gelernt, seine Narben zu ertragen und weiterzuleben? Waren mit dem abrupten Auszug seiner Frau seine Gefühle versiegt, oder war das lange Zeit vor dem Scheitern der Ehe geschehen?
„Begehen Sie nie Fehler, Mr Cordeiro?“
Sein Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln. Plötzlich wirkte alles an ihm auf brutale Weise hart, das markante Kinn, das Funkeln in seinen Augen, die gestrafften Schultern. „Doch.“
Warum nur hatte sie das Gefühl, dass gerade hinter dieser kurzen Antwort ein tiefes Leiden steckte? Weshalb glaubte sie das, obwohl nichts an diesem Mann Schwäche oder Verletzlichkeit verriet? Sie spürte nur, dass er mit etwas kämpfte, dem er sich nicht ergeben wollte. Dieser Mann würde sich niemals aufgeben. Er war der geborene Kämpfer.
„Nun, ich habe Fehler gemacht, das gebe ich zu …“ Zögernd hielt sie inne. „Ich war töricht, naiv und unerfahren.“
„Naiv und unerfahren – sind das die Worte, mit denen Sie sich selbst beschreiben?“
„Dann stünden die Chancen schlecht, dass Sie mir weiterhin Geld leihen“, entgegnete sie leichthin, während ihr Blick wie magisch von seinen starken Unterarmen angezogen wurde. „Aber vor fünf Jahren war ich genau das, als Sie den ersten Kredit bewilligt haben.“
„Wie alt waren Sie damals?“
„Achtzehn. Ich hatte gerade die Schule beendet.“ Sie sprach locker, damit sie nichts von dem Schrecken ihrer Schulzeit preisgab.
„Warum haben Sie nicht studiert?“
Aus vielen Gründen.
Grace senkte den Kopf und blickte auf den Tisch. Vor ihr stand ein Teller. Wann war der dorthin gestellt worden? Ein unbehagliches Gefühl im Magen, musste sie sich eingestehen, dass sie in seiner Nähe nichts außer ihm wahrnahm. „Die Universität war nichts für mich. Ich wollte lieber eine Firma gründen.“ Ich musste mich selbst beweisen.
„Sie meinen, Sie wollten anfangen, Geld zu verdienen?“
Geld? Grace runzelte die Stirn. Darum ging es ihr nicht. Selbst heute zahlte sie sich selbst kaum einen Lohn aus, sondern steckte den ihr zustehenden Betrag gleich wieder in die Firma. „Ich wollte etwas, das mir gehört“, entgegnete sie schließlich und erlaubte ihm damit einen tieferen Einblick, als ihr im Grunde lieb war.
Während Maria weitere Schüsseln mit Essen servierte, schwieg Rafael. „Aber das Unternehmen gehört Ihrem Vater.“
Sie schüttelte den Kopf. „Die Cafés nicht. Er importiert nur Kaffee und verkauft ihn weiter. Nach der Schule habe ich eine Weile in einem Café gearbeitet. Die Arbeit hat mir großen Spaß bereitet. Doch es gab so vieles, was ich anders gemacht hätte. Viele meiner Freunde studierten an der Universität in London. Für sie gab es keinen schönen Ort, an dem sie sich nachmittags treffen konnten. Da ist mir die Idee gekommen. Ich habe ein wenig recherchiert, ein leer stehendes Café gefunden und mit einem Kredit von der Bank gekauft. Tag und Nacht habe ich es selbst renoviert, weil ich mir keine Handwerker leisten konnte.“
Nachdem sie sich den Teller gefüllt hatte, erzählte sie weiter: „Die Risse in den Wänden waren so breit, dass ich sie mit Farbe nicht verdecken konnte. Deshalb habe ich mich entschlossen, überdimensionale Bilder des brasilianischen
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