Julia Bestseller Band 142
Begrüßung und zum Abschied küsste er sie auf die Wangen, das war alles. Er gab sich ihr gegenüber förmlich und distanziert. Die Sehnsucht nach ihm machte sie verrückt.
Und wir kommen gut miteinander aus, überlegte Kimberley, während sie ihren Entwurf zu Papier brachte. Sicher, ihre Beziehung war nicht perfekt, aber welche war das schon? Dass Luc sie nicht liebte, spielte nur noch eine untergeordnete Rolle.
Solange sie sich nicht anmerken ließ, was sie für ihn empfand, und nichts tat, was ihn womöglich abschreckte, konnte eigentlich nichts schiefgehen.
Wieder blickte Kimberley auf die Uhr. Sie hatte mit der Lehrerin vereinbart, dass sie Rio eine halbe Stunde früher von der Schule abholen würde, damit sie Luc vom Flughafen abholen konnten.
Das Telefon klingelte, und in der Annahme, dass es Luc war, nahm sie ab und klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter, um die Skizzen vom Schreibtisch nehmen zu können.
Er war es allerdings nicht, und sie wurde aschfahl, als der Anrufer sagte: „Diesmal haben Sie also das große Los gezogen.“
Sofort ließ sie die Zeichnungen fallen und bekam so weiche Knie, dass sie auf den nächsten Stuhl sank.
Sie wusste, wer das war. Angst und Panik überkamen sie und lähmten sie. „Was wollen Sie?“
„Wenn Sie das fragen, sind Sie dümmer, als Sie aussehen.“
„Wir … haben schon gezahlt.“ Krampfhaft umklammerte sie nun den Hörer. „Und zwar ein Vermögen. Sie haben versprochen, nicht mehr zu verlangen.“
„Sagen wir, die Umstände haben sich geändert. Sie sind eine reiche Frau. Diesmal will ich zehn Millionen.“
Sekundenlang schloss Kimberley die Augen. „Das ist lächerlich.“
„Sie sind mit einem Milliardär zusammen.“
„Es ist nicht mein Geld. Ich kann nicht …“
„Schlechte Entscheidung.“ Die Stimme klang schroff. „Bye.“
„Warten Sie!“, rief sie in Panik und stand auf. „Legen Sie nicht auf.“
„Sie sind also doch vernünftig?“
Hatte sie denn eine Wahl? In ihre Augen traten Tränen. „Ja“, flüsterte sie. „Ich … ich werde alles tun …“
Der Mann lachte eisig. „Braves Mädchen. Und da ich großzügig gestimmt bin, gebe ich Ihnen vierundzwanzig Stunden, um das Geld zu beschaffen. Dann melde ich mich wieder. Und falls Sie die Polizei oder Santoro einschalten, ist der Deal geplatzt.“ Vierundzwanzig Stunden?
Wie sollte sie diese Summe innerhalb so kurzer Zeit beschaffen? Das war unmöglich.
„Ich verspreche, dass ich es Luc nicht sage, aber …“ Kimberley verstummte, als sie merkte, dass die Leitung tot war.
„Was willst du mir nicht sagen?“, ließ sich im nächsten Moment eine eisige Stimme von der Tür her vernehmen, woraufhin Kimberley auch den Hörer fallen ließ.
Entsetzt sah sie Luc an und überlegte fieberhaft, wie viel er von dem Gespräch mitbekommen haben mochte. „Du bist früh dran …“
„Und anscheinend war es ein Fehler, einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen, um mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können“, sagte er ausdruckslos, bevor er hereinkam und die Tür hinter sich schloss. Er wirkte ausgesprochen feindselig und musterte sie verächtlich. „Ich habe mich in den letzten vier Wochen verrenkt, um deinen Vorstellungen zu entsprechen. Du wirfst mir vor, ich sei nicht in der Lage zu kommunizieren. Und dabei bist du in dieser Beziehung diejenige, die Geheimnisse hat.“
Das Atmen fiel ihr schwer, doch ihre Panik galt allein Rio. „Ich habe keine Geheimnisse …“ Nein, dazu war sie jetzt nicht in der Lage. Sie musste überlegen, was sie tun sollte, aber wie konnte sie das, wenn sie solche Angst um ihr Kind hatte?
Luc stellte sich breitbeinig vor sie. Er wirkte sehr angespannt. „Und, was willst du mir nicht sagen, und wem hast du es versprochen?“
Einen Moment lang blickte Kimberley ihn nur starr an. Der eisige Ausdruck in seinen Augen und der verächtliche Zug um seinen Mund verursachten ihr Übelkeit. Am liebsten hätte sie sich verteidigt, doch der Erpresser hatte von ihr Stillschweigen verlangt. Was war, wenn sie es Luc erzählte und Rio etwas zustieß?
Sie versuchte sich damit zu trösten, dass Lucs Leute Rio beschützten. Trotzdem fiel die Anspannung nicht von ihr ab.
„Ich kann jetzt nicht darüber reden.“ Sie musste unbedingt mit Jason sprechen. Sie musste zur Schule fahren und ihr Kind abholen. Sofort. Kopflos kniete Kimberley sich hin, um die Zeichnungen aufzusammeln, doch ihre Hände zitterten so stark, dass sie sie gleich wieder fallen
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