Julia Bestseller Band 146
hatte, war das zerwühlte Laken auf Leos Seite.
Von der Tür her hörte sie flüsternde Stimmen. Das musste sie geweckt haben. Hastig sprang sie auf und sprintete ins angrenzende Badezimmer.
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie immer noch das weiße Top trug, das sie schon gestern angehabt hatte. Dann hatte er wenigstens einen Hauch Anstand bewiesen und sie nicht ganz entkleidet, dachte sie – empfand dafür aber keinerlei Dankbarkeit.
In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er sich so gnadenlos über sie lustig gemacht, sie verhöhnt und verspottet, erpresst und gezwungen, seine Geliebte zu werden, dass der eine kleine Gnadenerweis ihn in ihren Augen nicht besser erscheinen ließ.
Die Haare diesmal sicher unter einem Handtuchturban versteckt, trat sie unter die Dusche. Skeptisch musterte sie die vielen verschiedenen Knöpfe und Hebel. Vielleicht gelang es ihr ja diesmal, den richtigen zu drücken und nicht aus allen Richtungen nass gespritzt zu werden.
Der Versuch misslang gründlich. Natasha rang nach Luft, als die ersten Wasserstrahlen, scharf wie Nadelstiche, ihre Haut trafen. Sie blickte an sich herunter, weil sie fast erwartete, dass ihr Körper sich irgendwie über Nacht verändert haben musste.
Aber es war alles wie immer. Sie sah ihre vollen Brüste, die weich gerundeten Hüften und ihre helle Haut. Und doch spürte sie eine Veränderung.
An einem einzigen Tag war sie zu Frau geworden. Ihre dummen Träume von Liebe und Romantik lagen in Scherben. Natasha verzog das Gesicht. Um eine Erkenntnis war sie reicher: Man brauchte weder Liebe noch Romantik, um sich Lust und Leidenschaft hinzugeben.
Man brauchte überhaupt keine Gefühle. Das Verlangen, sich zu nehmen, was man begehrte, reichte völlig aus.
Rico war so ein Mensch, der nach dieser Maxime lebte. Und auch ihre Schwester Cindy. Sie sahen, sie begehrten, sie nahmen es sich. Warum auch nicht? Das Objekt der Begierde stand ja da. Vielleicht sollte sie sich eingestehen, dass sie in die Reihen dieser Egoisten eingetreten war. Denn sie konnte noch so lange unter der Dusche stehen, die Wasserstrahlen auf sich herniederprasseln lassen und sich einreden, dass Leo sie erpresst hatte, das Bett mit ihm zu teilen, aber das wäre immer nur die halbe Wahrheit.
Sie hatte ihm mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn wollte. Leo hatte nur zugegriffen.
Bernice betrat gerade über die Terrasse das Schlafzimmer, als Natasha, wieder nur in einen Morgenmantel gehüllt, aus dem Bad kam. Plötzlich empfand sie der anderen Frau gegenüber große Schüchternheit. Am liebsten wäre sie zurück ins Badezimmer geflüchtet und hätte sich dort versteckt, bis Bernice wieder gegangen war.
„Kalimera, thespinis“ , begrüßte die Haushälterin sie lächelnd. „Ein wunderschöner Tag, um draußen zu frühstücken, nicht wahr?“
„Perfekt.“ Natasha erwiderte das Lächeln. „Vielen Dank, Bernice.“
Sie trat auf die Terrasse hinaus. Die Sonne schien schon warm vom wolkenlosen Himmel. Einladend lag der Duft von frischem Kaffee und Toast in der Luft.
Ihr Magen gab ein knurrendes Geräusch von sich, und Natasha wurde bewusst, wie hungrig sie war.
Unvermittelt blieb sie stehen. Sie hatte nicht damit gerechnet, Leo am Tisch sitzen zu sehen. Doch da saß er, hielt eine Kaffeetasse in der Hand und las friedlich in der Zeitung.
Sie stieß einen überraschten Laut aus, woraufhin er die Zeitung senkte und Natasha eingehend musterte.
„Kalimera“ , grüßte er sanft und erhob sich.
Wie vor den Kopf geschlagen, blickte Natasha ihn an. Natürlich hatte sie heute Morgen schon an Leo gedacht. Aber den Mann in Fleisch und Blut vor sich zu sehen, war doch etwas ganz anderes. Obwohl er nur einen schlichten Geschäftsanzug trug, durchströmte sie die Erinnerung an die gestrige Intimität, und eine prickelnde Wärme überkam sie.
Unwillkürlich folgte sie seinem Beispiel und ließ ihren Blick über seinen gesamten Körper wandern. Angefangen bei seinen Beinen, die von einer grauen Hose verhüllt waren, über die Brust und das hellblaue Hemd mit passender dunkler Krawatte. Als sie schließlich sein frisch rasiertes Gesicht mit den atemberaubenden Zügen betrachtete, waren ihre Wangen vor Verlegenheit gerötet.
„Guten Morgen“, erwiderte sie kühl und auf Englisch.
Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Hast du gut geschlafen?“
„Ja, vielen Dank.“
Den Blick abwendend, ballte sie die Hände in den Taschen des Morgenmantels zu Fäusten. Sie zwang
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