JULIA COLLECTION Band 07
und lauschte.
Irgendjemand war dort draußen, und Morgans Instinkt sagte ihm, dass es Misty war. Er spürte es, und sein Herz schlug schneller. Der Mond war noch nicht ganz untergegangen, doch die Morgendämmerung zog bereits herauf. Die Uhr zeigte erst halb sechs, und er fragte sich, was Misty so früh dort draußen machte.
Er brauchte nur zwei Sekunden, um zu entscheiden, dass er zu ihr gehen würde. Es gab genügend Gründe, weshalb er das besser nicht tun sollte. Doch irgendetwas war stärker, ein elementares Bedürfnis, sich noch einmal mit ihr auseinanderzusetzen.
Er knöpfte noch seine verwaschene Lieblingsjeans zu, als er schon das Zimmer verließ und auf den Flur hinaustrat. Als er an der Küche vorbeikam, entschloss er sich, rasch Kaffee zu kochen.
Er maß den Kaffee ab und versuchte leise zu sein, um niemanden aufzuwecken, während er sich vorstellte, wie Misty so früh am Morgen aussah, mit zerzausten Haaren und sanften Augen. Er stellte sich vor, dass sie noch ihr Nachthemd trug, das sicher hauchdünn und eng war, und hätte beinah die Kanne voll Wasser fallen lassen. Die Vorfreude war lächerlich – aber sie war da. Wenigstens für ein paar Stunden an diesem Morgen würde er Misty ganz für sich allein haben.
Jordan bewohnte ein Apartment über der Garage und würde vor zehn Uhr nichts von dem, was sich hier abspielte, mitbekommen. Er schlief an den Wochenenden gern lange, um sich von der anstrengenden Woche zu erholen.
Gabe war möglicherweise noch gar nicht wieder zu Hause. Als Morgan ihn zuletzt gesehen hatte, war er von weiblichen Singles umringt gewesen. Und falls er schon zu Hause war, würde er in seinen Räumen im Keller von den Geräuschen im Haus nichts mitbekommen.
Was Sawyer anging, so war er zweifellos mit seiner Braut beschäftigt. Morgan wäre nicht überrascht, wenn er den ganzen Tag nicht aus seinem Schlafzimmer herauskommen würde. Bei dieser Vorstellung grinste er und erinnerte sich daran, wie Casey seinem Dad angeboten hatte, ruhig liegen zu bleiben, weil er sich um alles kümmern würde.
Morgan grinste noch immer, als er barfuß und mit zwei Bechern dampfenden Kaffees ins Freie trat. Es war ein wenig kühl, und Nebel lag über allem. Misty saß mit dem Rücken zu ihm auf der Schaukel. Er war noch zwei Schritte von ihr entfernt, als er sie leise schluchzen hörte.
Er erstarrte und wusste nicht, was er tun sollte. Einen Moment lang horchte er, in der Hoffnung, dass er sich geirrt hatte. Doch dann schluchzte sie erneut und betupfte sich die Augen mit einem zusammengeknüllten Papiertaschentuch. Morgan fluchte im Stillen, und sein Herz zog sich zusammen. Die Tatsache, dass ihre Tränen ihm so viel ausmachten, war ein eindeutiger Beweis dafür, wie sehr die Dinge bereits außer Kontrolle waren.
Er nahm sich zusammen und räusperte sich.
Misty fuhr so erschrocken herum, dass sie fast von der Schaukel gefallen wäre. Sie trug eine Brille, die er noch nie an ihr gesehen hatte. Ihre Haare waren mit einem Gummiband zusammengebunden, aus dem sich ein paar lange Strähnen gelöst hatten. Selbst im schwachen Licht der heraufziehenden Dämmerung konnte er sehen, dass sie errötete.
Die Wahrheit war, dass sie schrecklich aussah. Morgan hätte nicht gedacht, dass so etwas möglich war. Ihre Nase war gerötet, und ihre Augen waren durch die Spiegelung der Brillengläser nicht zu erkennen. Sein Verlangen erstarb sofort, nicht wegen ihres Aussehens, sondern wegen ihrer offenkundigen Verzweiflung. Ihn beschlich eine schreckliche Angst, dass er der Grund dafür sein könnte.
Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, hielt er ihr einen Becher Kaffee hin. „Ich habe die Schaukel gehört und dachte, du könntest vielleicht einen Kaffee gebrauchen.“ Sie sah auf die Becher, als würden sie Arsen enthalten. Morgan seufzte. „Es ist nur Kaffee. Mit viel Milch und Zucker. Da Honey ihren so trinkt, dachte ich, du magst ihn auch so.“
Sie nahm den Becher und dankte ihm leise. Dann wandte sie sich wieder ab und sah auf den See, der wegen des Nebels kaum zu erkennen war.
Morgan setzte sich vorsichtig neben sie und registrierte, dass sie einen alten weichen Morgenrock aus Baumwolle trug, ohne Gürtel, sondern mit Knöpfen. Behutsam stemmte er einen nackten Fuß in den Boden und brachte die Schaukel leicht zum Schwingen. „Du trägst ja eine Brille“, bemerkte er.
Misty reagierte nicht.
„Das ist vermutlich das Geheimnis deiner blauen Augen, oder? Ich fand das Blau immer ein wenig zu klar
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