JULIA COLLECTION Band 15
wohnte, nachdem er und seine Brüder ausgezogen waren. Sie schätzte das Bild nach eigener Aussage, weil es bereits viel versprechende Ansätze zeigte. Aus dem gleichen Grund hatte sie einige von Richards ersten Geschäftsplänen und etliche von Macks Footballtrophäen aufgehoben. Notfalls konnte Destiny kühl und scharf berechnend vorgehen, doch eigentlich war sie ziemlich sentimental.
Richard war der Geschäftsmann, Mack der Sportler in der Familie. Ben interessierte sich weder für das Familienunternehmen noch für Sport. Schon zu Lebzeiten seiner Eltern hatte er das Gefühl gehabt, nicht in diese tüchtige Familie zu passen. Erst Destiny hatte ihm durch die Malerei einen Sinn im Leben gezeigt und ihm ermöglicht, auf sich stolz zu sein. Seither fühlte er sich seinen Brüdern gleichwertig und ertrug auch ihre Sticheleien, von denen er an diesem Abend bestimmt wieder jede Menge würde einstecken müssen, weil er sein eigenes Festessen vergessen hatte.
Die Idee, das Essen auf seiner Farm zu veranstalten, stammte von Destiny. Ben gab normalerweise keine Einladungen. Er kam in der Küche gut genug zurecht, um nicht zu verhungern, mehr jedoch nicht. Destiny hatte keine Einwände gelten lassen und war vor drei Tagen mit ihrer langjährigen Haushälterin auf seiner Farm eingetroffen.
Hätte eine andere Person versucht, sich dermaßen in sein Leben zu drängen, hätte Ben sich dagegen gewehrt, doch er verdankte seiner Tante zu viel. Außerdem verstand sie seinen Wunsch nach Einsamkeit besser als jeder andere. Seit Gracielas Unfalltod an jenem schrecklichen Abend vor drei Jahren hatte er sich ganz in die Kunst gestürzt, und Destiny holte ihn nur ab und zu aus dieser Isolation heraus.
„Gib mir noch zehn Minuten“, bat er.
„Keine Zeit mehr. Melanie ist schwanger und hält es vor Hunger nicht mehr aus. Wenn sie nicht bald etwas bekommt, isst sie den Blumenstrauß auf dem Tisch. Außerdem fragen sich deine Gäste allmählich, ob wir vielleicht ins Haus eines Fremden eingedrungen sind. Du musst dich unbedingt zeigen. Den mangelnden Schick an Kleidung machst du eben durch deinen Charme wett.“
„Ich habe Farbe auf der Hose“,wandte er ein und begriff plötzlich, was sie gesagt hatte. „Gäste? Außer Richard und Mack und deren Frauen ist noch jemand hier? Von Gästen hast du nichts erwähnt, als du mich dazu gebracht hast, das Essen hier zu veranstalten.“
„Aber sicher habe ich das“, behauptete Destiny unbekümmert.
Sie hatte es nicht getan, und das wussten sie beide. Dieser Umstand wiederum konnte nur bedeuten, dass sie mehr im Sinn hatte, als Bens Einsamkeit zu beleben. Sobald sie das Wohnhaus erreichten, begriff Ben schlagartig, worum es ging.
„Und das, mein Lieber, ist Kathleen Dugan“, stellte Destiny vor, nachdem sie Ben mit einigen Leuten bekannt gemacht hatte, die nirgendwo sonst diesen Feiertag begehen konnten. Destinys Tonfall nach zu schließen, war diese Kathleen eindeutig der wichtigste Gast von allen.
Er warf seiner Tante einen scharfen Blick zu. Kathleen war jung, schön und ohne Begleiter gekommen, was darauf schließen ließ, dass sie ungebunden war. Seit Mack vor Kurzem geheiratet hatte, wusste Ben, dass Destiny nun auch ihn verkuppeln wollte. Der lebende Beweis dafür stand vor ihm – eine Frau mit kurz geschnittenem schwarzem Haar, das ihre hohen Wangenknochen und die veilchenblauen Augen besonders gut zur Wirkung brachte. Jeder Künstler hätte dieses interessante Gesicht bestimmt liebend gern auf Leinwand gebannt. Ben malte nie Porträts, doch sogar er geriet bei ihrem Anblick in Versuchung. Die Besucherin trug eine rote Seidentunika über einer schwarzen, schmal geschnittenen Hose, als Schmuck hatte sie eine Kette aus großen Kugeln in Gold und Rot umgelegt. Alles in allem wirkte sie sehr elegant mit einem Hauch von Extravaganz.
„Freut mich, Sie kennenzulernen“, begrüßte Kathleen ihn offenherzig. Sie wirkte bei weitem nicht so befangen, wie Ben es war. Eindeutig hatte sie keine Ahnung, was hier vor sich ging.
Ben gab ihr höflich die Hand. „Entschuldigen Sie mein unpassendes Aussehen“, sagte er und wandte sich den anderen zu. „Ich habe gehört, dass das Essen fertig ist.“
„Für ein Glas haben wir noch Zeit“, versicherte Destiny und drängte plötzlich gar nicht mehr an den Tisch. „Richard, schenk doch deinem Bruder ein Glas ein. Dann kann er sich noch eine Weile unterhalten, bevor wir mit dem Essen anfangen.“
„Ich dachte, es wäre sehr eilig“,
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