Julia Collection Band 27
herauszufinden, wer hier wen kennt, könnten wir bitte erst mal eine der Frauen holen, damit sie sich um das Baby kümmert?“, bat Ryan, dem es von Sekunde zu Sekunde unbehaglicher wurde. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich tun soll, um die Kleine zu beruhigen.“
„Gib mir Autumn“, sagte Marissa, die in den Flur geeilt kam, um Ryan das Baby abzunehmen. Die Kleine hörte sofort auf zu weinen, als Marissa sie auf ihre Schulter hob.
Travis schaute sich den Winzling an, der solch einen Krawall machte. Er fand das Baby niedlich mit seinem hellbraunen Haar und dem kleinen Wirbel an der linken Schläfe. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn, als Marissa Autumn einen Schnuller in den Mund steckte und winzige Grübchen auf den pausbäckigen kleinen Wangen erschienen.
„Wer ist die Frau, und wie hast du sie kennengelernt, Travis?“, fragte Darin und brachte damit die Unterhaltung zurück auf das Wesentliche und lenkte Travis von der Betrachtung des Babys ab.
Travis warf nun einen Blick durch die offene Tür auf die Frau, die dort auf dem Bett lag. Vor elf Monaten war Natalie Perez der einzige Lichtblick während seines ansonsten ziemlich unangenehmen zweimonatigen Aufenthalts in Chicago gewesen.
Nach einem besonders schwierigen Tag – er hatte an einem Fall für den Club gearbeitet – hatte er einen Spaziergang gemacht, um einen klaren Kopf zu bekommen. Schließlich war er in einem kleinen Restaurant gelandet, das nicht weit von der Wohnung lag, die er sich gemietet hatte. Natalie war Kellnerin dort gewesen. Von dem Moment an, als sie seine Bestellung entgegennahm, war er von ihr verzaubert gewesen. Alles an ihr hatte ihm gefallen. Ihr süßes Lächeln, der leicht heisere Unterton in ihrer weichen Stimme – und die geschmeidigen Bewegungen ihres schlanken Körpers hatten ihn fasziniert. Es hatte damit geendet, dass er sie nach ihrem Feierabend nach Hause gebracht hatte, und das war der Anfang ihrer einmonatigen Affäre gewesen.
Unglücklicherweise durfte er, weil er verdeckt ermittelte und die Mission ziemlich heikel gewesen war, nichts über sich erzählen – jedenfalls nicht die Wahrheit. Doch sie hatte herausgefunden, dass er nicht der Mann war, für den er sich ausgegeben hatte. Natalie war tief verletzt angesichts seines Verrats und hatte die Beziehung zu ihm sofort beendet.
Doch bevor er aus ihrem Leben verschwunden war, hatte er ihr die Visitenkarte des „Cattleman’s Club“ gegeben und ihr gesagt, dass sie, sollte sie jemals mit ihm Kontakt aufnehmen wollen, die Adresse auf der Karte benutzen solle. Kurz danach hatte er die Mission in Chicago zu einem guten Ende gebracht und war nach Royal zurückgekehrt. Doch er hatte Natalie niemals vergessen können, genauso wenig wie die Gefühle, die sie in ihm geweckt hatte.
„Ihr Name ist Natalie Perez. Sie und ich waren ungefähr einen Monat lang befreundet, während ich im letzten Jahr in Chicago war“, erklärte Travis und wählte seine Worte dabei sehr sorgfältig. Die Tiefe seiner Beziehung zu Natalie ging niemanden etwas an. „Beim Abschied habe ich ihr unsere Visitenkarte gegeben.“
„Ist es nicht überraschend, dass sie sie so lange behalten hat?“, meinte David und schüttelte erstaunt den Kopf. „Es ist doch fast ein Jahr her, oder?“
„Elf Monate“, entgegnete Travis nickend, während er noch einmal zum Bett blickte. Das merkwürdige Gefühl kehrte auf einmal zurück, als Natalie sich aufsetzte und nach dem Baby griff. „Wie alt, habt ihr gesagt, ist das Kind?“, fragte er.
„Jane, ich meine Natalie, kann sich nicht daran erinnern, an welchem Tag die Kleine geboren wurde“, antwortete Alex Kent und schaute ins Schlafzimmer. „Aber wir haben Justin Webb gebeten, sie in der Nacht, als sie im ‚Royal Diner‘ auftauchte, zu untersuchen. Er meinte, sie könne nicht älter als ein, zwei Tage sein.“
Bei Travis richteten sich die Nackenhaare auf. Er wandte sich an Ryan. „Und du hast gesagt, das war vor zwei Monaten?“
Ryan nickte. „Ja. Wieso?“
Travis überschlug in Windeseile die Zeitspanne. Und dann rechnete er noch einmal nach. Ohne Ryan zu antworten, ging er zurück ins Schlafzimmer.
„Marissa, könntest du mich einen Moment mit Natalie allein lassen?“
„Natürlich“, erwiderte Marissa und zog beim Hinausgehen die Tür hinter sich zu.
„Kann ich sie mal sehen?“, fragte Travis und streckte die Arme aus, um das Baby zu nehmen.
Natalie schaute ihn mit ihren violettfarbenen Augen misstrauisch an,
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