Julia Collection Band 27
würde.
Und dabei war es doch eine seiner ersten Lektionen gewesen, dass man den Feind nie unterschätzen sollte. Nun, er hatte seinen kleinen Feind gewaltig unterschätzt. Diese Frau belästigte nicht nur Dorian und die restlichen Mitglieder des Clubs, sondern ärgerte vor allem ihn maßlos. Er erinnerte sich an den Kuss, was er gar nicht wollte, denn ihr leidenschaftlicher Kuss hatte Gefühle in ihm aufgerührt, die ihm ganz fremd waren.
Während er leise fluchte, lief er schnell zur Garage. Es war zu peinlich, dass er mitten in der Nacht auf Verfolgungsjagd gehen musste. Er dachte an seine Arbeit und die Aufgaben des „Texas Cattleman’s Club“. Er hatte schon die heikelsten und schwierigsten Aufträge erledigt, und nun ließ ihn eine kleine Furie so dumm aussehen. Und er war selbst schuld daran. Er hätte sie die Nacht über in Handschellen neben sich anketten sollen. Aber dann hätte er wirklich kein Auge zugemacht. Er wollte nicht an den Kuss oder ihren Körper denken. Und auch nicht an ihre großen grauen Augen oder die weichen Lippen, die ihn unter Strom gesetzt hatten.
Ich sollte den Sheriff anrufen und sie einsperren lassen, dachte er, während er zum Highway raste. Das würde ihr recht geschehen. Doch dann fiel ihm Merrys seidige Haut ein, die von seinem Angriff Schrammen davon getragen hatte, und er wusste, dass er das nicht übers Herz bringen würde.
„Du wirst weich“, murmelte er.
Von wegen. Er wurde genau das Gegenteil, wenn er nur an ihren verlockenden Mund dachte. Er fluchte und trat aufs Gaspedal. Als Jason auf die Main Street kam, entdeckte er seinen Pick-up und musste trotz seiner Wut grinsen, weil sie den Wagen auf dem Parkplatz des Sheriffs abgestellt hatte. Um nach ihr Ausschau zu halten, fuhr er zum „Royalton“. Nachdem er dem Parkwächter die Autoschlüssel übergeben hatte, ging er durch die Lobby mit ihren edlen orientalischen Teppichen und Palmen. Erfreut registrierte er, dass er den untersetzten blonden Mann an der Rezeption kannte.
„Morgen, Mister Windover.“
„Hallo, Stan. Ich wusste nicht, dass du hier arbeitest.“
„Doch, Sir. Schon seit einem Jahr.“
„Gefällt es dir hier?“
„Ja, Sir.“
„Stan, welches Zimmer hat Meredith Silver? Ich muss sie sprechen.“
Stan runzelte die Stirn. „Tut mir leid. Sie sagte, dass sie auf keinen Fall gestört werden darf.“
„Ich will sie nur sprechen. Du weißt doch, dass ich nie eine Frau belästigen würde.“
„Aber ja, Sir!“
Jason nahm fünfzig Dollar aus seiner Brieftasche, faltete den Schein sorgfältig und schob ihn über die Theke. „Sag mir nur die Zimmernummer. Ich möchte eine Nachricht unter ihre Tür schieben oder mit ihr reden, wenn sie das möchte.“
„Mensch, Mister Windover.“ Der Geldschein war bereits unter Stan Fogartys Hand verschwunden. „Zimmer 317. Aber von mir haben Sie das nicht.“
„Danke, Stan. Sie wird es nie erfahren.“
Jason stieg die Treppe hoch. In wenigen Minuten stand er vor ihrem Zimmer, nahm einen kleinen Draht aus der Hosentasche und machte damit gekonnt die Tür auf. Im Zimmer war es dunkel. Er schlüpfte hinein und schloss lautlos die Tür hinter sich. Zum Rachefeldzug bereit, schaltete er das Licht ein. Er blinzelte und starrte auf das gemachte Bett. Er suchte das Zimmer ab, sah ins aufgeräumte Bad und in den leeren Kleiderschrank. War Merry in den frühen Morgenstunden nach Dallas zurückgekehrt? Hatte sie es aufgegeben, Dorian nachzustellen? Doch wenn sie abgereist wäre, hätte Stan ihm das gesagt. Sie hatte beim Empfang hinterlassen, dass sie nicht gestört werden dürfe. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie noch in Royal war. Aber wo war sie dann?
Ihm wurde klar, dass er sie in jeder Hinsicht unterschätzt hatte, und das ärgerte ihn immer mehr. Es war höchste Zeit für ihn, zu begreifen, dass er es mit einem sehr intelligenten und gewieften Gegner zu tun hatte. Er durchsuchte noch einmal das Zimmer und konnte Merrys Parfüm riechen. Im Bad entdeckte er ein noch feuchtes Handtuch über dem Ständer. Sie war hier gewesen, hatte das Zimmer aber wieder verlassen. Obwohl er sich lächerlich vorkam, schaute er noch unter dem Bett nach. Schließlich drehte er das Licht aus und ging die Treppe wieder hinunter.
„Stan, ist Miss Silver abgereist?“
„Nein, Sir. Sie sagte nur, dass sie nicht gestört werden möchte.“
„Nun, ich habe sie nicht gestört. Du kannst ganz beruhigt sein.“ Er zog einen Zehndollarschein hervor. „Wenn du sie siehst, würdest
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