Julia Collection Band 28
Die Scheidung seiner Eltern war schlimm genug gewesen, er wollte den Spießrutenlauf nicht ein weiteres Mal durchmachen. Deshalb war er von einer Ecke der Vereinigten Staaten in die andere gezogen, um möglichst weit weg von seiner Exfrau und seiner Kindheit zu kommen.
„Portland ist eine hübsche Stadt“, stellte Donna fest.
„Gefällt mir“, bestätigte er.
Ihre blauen Augen funkelten verräterisch. Sullivan sah förmlich, wie es hinter ihrer mütterlichen Stirn arbeitete. Darum machte er sich auf den nächsten Schritt gefasst und bereitete sich auf die Abwehr vor.
„Sind Sie verheiratet?“, fragte Donna, als er den Valencia Merlot kostete, der alle Erwartungen erfüllte.
Ja, er hatte sich nicht geirrt. Diese Frau ging zielstrebig zum Angriff über. Zum Glück wusste er, wie solche Attacken abzuwehren waren. „Nein, ich bin nicht verheiratet.“
„Da sind Sie sicher einsam.“
Lissa verschluckte sich fast an ihrem Wein und griff nach der weißen Stoffserviette. „Entschuldigung.“
Sullivan merkte ihr an, dass ihr das Verhalten ihrer Mutter unangenehm war. Das konnte er gut nachfühlen. Lissa war vermutlich so gern ungebunden wie er, anders konnte er sich zumindest ihr Outfit nicht erklären. Das schrie doch schon aus hundert Meter Entfernung: „Ich bin nicht interessiert, lass mich in Ruhe!“
„Ich mag es, kommen und gehen zu können, wie es mir gefällt“, erklärte er der Mutter.
„Das ist sehr gut“, meinte Donna, obwohl sie insgeheim wahrscheinlich anders dachte. Sie strich das schulterlange Haar zurück und unternahm den nächsten Schritt. „Ein Mann wie Sie ist doch sicher nie ganz allein.“
Auch diese Taktik kannte Sullivan zur Genüge. „Ja, ich treffe mich ab und zu mit einer Frau, Mrs. Cartwright.“
„Sie müssen meiner Frau verzeihen, dass sie so neugierig ist“, sagte Ken amüsiert. „Ihrer Meinung nach sollten alle Menschen so glücklich verheiratet sein wie wir beide.“
Sullivan hatte die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen gern Heiratsvermittlerin spielten, ob sie nun glücklich verheiratet waren oder nicht.
Frauen schienen jedenfalls stets von endlosem Glück zu träumen, doch das kam für ihn nicht infrage. Katherine und Clarence Grayson hatten sich in der reichen Gesellschaft von Charleston freundlich und nett benommen. Hinter den geschlossenen Türen des Familiensitzes jedoch hatten sie sich nicht anders verhalten als streitende Paare in den ärmlichen Teilen der Stadt. Die zerbrochenen Teller waren lediglich teurer gewesen.
„Die schlechte Ehe meiner Eltern hat mich vorsichtig gemacht“, erklärte er.
Donna ließ sich seine Worte offenbar durch den Kopf gehen und schwieg erst einmal. Sullivan warf einen Blick zu Lissa, die sich kerzengerade hielt. Vermutlich war sie genauso froh wie er, dass es eine kurze Unterbrechung in diesem Gespräch gab.
Er wandte sich an Ken, um ein anderes Thema anzuschneiden. „Dieser Merlot ist ausgezeichnet“, sagte er zu dem Winzer. „Dafür sollten wir ebenfalls eine Marketing-Strategie entwerfen.“
„Ich dachte mir schon, dass er Ihnen schmecken wird.“ Ken lehnte sich zufrieden zurück. „Aber warten Sie ab, bis Sie Lissas neue Sorte kosten.“
„Darauf freue ich mich schon“, versicherte Sullivan und sah wieder zu Lissa, die sich etwas entspannt hatte.
Normalerweise hatte er kein Mitleid mit alleinstehenden Frauen, deren Mütter sie lieber heute als morgen in weißem Kleid mit Schleier sehen wollten. Doch die scheue und schlichte Lissa rührte ihn, es tat ihm leid, dass ihre Mutter sich so unsensibel ihr gegenüber benahm. Bekam die Frau denn nicht mit, dass Lisa das Thema unangenehm war? Lissa hatte so viel, worauf ihre Eltern stolz sein konnten: Sie war eine tüchtige Geschäftsfrau, die das Beste für das Weingut wollte. Und auch erreichte. Er hatte sich vor seinem Termin hier ein bisschen in der Branche umgehört. Lissa galt als erfolgreiche Karrierefrau, die nur das Wohlergehen des Familienunternehmens im Auge hatte.
Bisher hatte er auch diesen Eindruck erhalten. Lissa hatte sich die Valencia Vineyards zur Lebensaufgabe gemacht. Doch ihrer Mutter genügte das wohl nicht.
„Möchten Sie noch etwas?“, fragte Donna.
„Nein, danke“, wehrte Sullivan ab. „So gut habe ich schon sehr lange nicht mehr gegessen.“
Lissa hielt den Blick auf ihren Teller gerichtet. Sie hatte nur wenig angerührt, wahrscheinlich hatte das Verhalten ihrer Mutter ihr den Appetit verdorben. Auch für sie schien Privates
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